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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Erster Band
Entstehung
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Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung, erfuhr der Arbeiterschutz eine wesent­liche Bereicherung. Es wurde der Arbeiter gegen die Ausbeutung durch Waarenanrechnung an Stelle des Baarlohnes gesichert und wurden, was nachdrücklichst zu betonen ist, werthvolle Bestimmungen bezüglich der äusseren Arbeitsbedingungen in den Arbeitsstätten getroffen.

All diese inhaltlich erfreulichen Anordnungen erlangten aber erst dadurch ihren vollen Werth, dass durch das im Jahre i883 ins Leben gerufene Institut der Gewerbeinspection das sachkundige Organ geschaffen wurde, das, mit der Ueberwachung der Arbeiterschutz- Bestimmungen betraut, deren Durchführung sicherte. 1 )

Gleichwie diese Institution, durch gleichartige Verhältnisse in älteren und mehr vor­geschrittenen Industriestaaten ins Leben gerufen, in diesen sich bewährte, darf von ihr in Oesterreich gesagt werden, dass sie der dem Gesetzgeber vorschwebenden Absicht voll ent­sprochen hat.

Vor Allem hat sie durch die angestrengtesten Bemühungen ihrer Organe für die Arbeits­ordnung sich um die äussere Rechtsordnung verdient gemacht. Dank dem, vom Beginne ihres Wirkens an, unermüdlich geführten Kampfe wurde der Arbeitsvertrag im grossen Ganzen zur Wahrheit, das heisst, es erscheinen in der Arbeitsordnung alle, durch diese wahr­zunehmenden Rücksichten bestmöglich gewahrt. In Tausenden von Fällen übernahmen ferner die Gewerbeinspectoren die Vermittlung zwischen den Unternehmern und den Arbeitern, halfen sie dem Arbeiter sein Recht finden oder erwirkten ihm Zugeständnisse des Wohl­wollens oder traten leidenschaftlicher Erregung aufklärend, belehrend oder auch zurecht­weisend entgegen.

Die Bedeutung der Industrie voll erfassend, waren sie allezeit bestrebt, inmitten wider- streitender Forderungen, hier durch Belehrung, dort durch Bekämpfung kurzsichtiger Begehren die Interessen der Industrie als solcher zur Geltung zu bringen.

Dem Unternehmer wie dem Arbeiter, in Berücksichtigung ihrer Zusammengehörigkeit, als wohlwollende Berather zur Seite stehend, gelang es ihnen, eine von beiden Theilen anerkannte Vertrauensstellung zu erringen. Hierdurch moralisch gekräftigt, sahen sie es sich ermöglicht, einer der obersten, ihnen vorgezeichneten Aufgaben zu entsprechen, dem socialen Frieden zu dienen.

Unendlich segensreich erwies sich das Wirken der Gewerbeinspection in Bezug auf den vom Gesetze angestrebten Schutz des Arbeiters gegen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit im Gewerbebetriebe.

Mit fachmännischem Wissen ausgerüstet, von ernster Pflichttreue erfüllt, suchten ihre Vertreter unbeugsam und unerbittlich dem Geiste des Gesetzes Geltung zu verschaffen.

Mit einem nur durch Liebe zum Berufe erklärlichen Eifer stellten sie sich mit ihren Fachkenntnissen und ihrem reichen Erfahrungsschätze in den Dienst der öffentlichen Ver­waltung und unterstützten das' Gebahren der Kranken- und Unfallversicherung, der social bedeutsamsten Einrichtung, welche die Gegenwart auf dem Gebiete des Arbeiter- und des Gesellschaftsschutzes zu verzeichnen hat.

«Als die grosse Masse 2 ) der Arbeiter noch jeden Augenblick der Gefahr ausgesetzt war, der öffentlichen Armenpflege mit ihren entwürdigenden Folgen anheimzufallen, konnte das Ehrgefühl sich bei ihnen nicht entwickeln und konnten die von Natur ehrliebenden

J ) «Die österreichische Fabriksgesetzgebuiig» von Paul Dehn; im Jahrb. für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft; herausgegeben von G. Schmollen Leipzig 1886.

2 ) «Sociale Mobilmachung» von Fritz Kalle. Wiesbaden 1897.