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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Fünfter Band
Entstehung
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Endlich bequemten sidh einige Papierfabriken in Oesterreich, »Postpapier« in Quart und Octav in verschiedenen Qualitäten und Quantitäten geschnitten in den Handel zu bringen, und zwar war eine der Ersten die Firma Franz Lorens Sohn in Arnau, aber die durch Maschinen erzeugten Briefcouverts hiezu mussten wieder separat aus Deutschland bezogen werden.

Ausnahmsformate konnte man nur vom Buchbinder durch Handarbeit herstellen lassen.

Im Jahre 1857 begegnen war zuerst der maschinellen Erzeugung von Briefcouverts in Oesterreich und zwar bei der Firma Franz Balatka in Prag. Balatka construirte sich die Maschinen, auf welchen er circa 10 Mille pro Tag erzeugte, selbst und stellte 1862 französische Maschinen auf, wenige Jahre später Maschinen von Wilhelmi in Berlin und 1890 solche von Tellschoff in Berlin, welch letztere eine Leistungs­fähigkeit bis zu 40 Mille besassen. Die im Jahre 1857 erzeugten Couverts hatten keine gummirten Schluss­klappen, da der Verschluss der Briefe entweder mittelst Siegellack oder Oblaten geschah. Balatka hatte es im Laufe der Zeit zu einer Leistungsfähigkeit bis zu 180 Millionen Couverts pro Jahr gebracht.

Als rühriger Vertreter in Oesterreich war für Balatka David Rudolf Pollak thätig, der sich im Jahre 1867 selbst auf die Couvertfabrication verlegte und im Jahre 1866 seine beiden Söhne Friedrich und Alois in die Firma D. R. Pollak & Söhne aufnahm.

Das Format dieser Couverts war entweder Quart oder Octav, die Qualität willkürlich verschieden. Der Bedingung einer conformen Herstellung der Briefpapiere und der Couverts in Qualität und Format konnte keineswegs vollkommen entsprochen werden. Dieser Zustand war auf die Dauer nicht haltbar, da sich die Ansprüche der Kunden auf verschiedene Formate in Billetpapieren stets mehrten. Schreiber dieser Zeilen selbst versuchte es mehr als einmal, im Betriebe der österreichischen Papierfabrication eine Wendung zum besseren herbeizuführen. Im Jahre 1863 übergab derselbe einem österreichischen Papier­fabrikanten eine Collection englischer Billetpapiere mit der Aufforderung, doch den Versuch mit der in­ländischen Erzeugung solcher Papiere zu machen, um endlich einmal die Einfuhr englischen Papieres zu beschränken; aber die Antwort, die der hiesige Papierfabrikant gab, war nichts weniger als ermuthigend. »Ja, solche Papiere können wir nicht machen«, meinte er, »weder unsere Maschinen, noch unsere Stoffe eignen sich hiezu, und vor Allem fehlen uns Egoutteurs, die zur Rippung solcher Papiere unumgänglich nothwendig sind; und dann, wer soll denn solches Product hier zahlen? Wir müssen unsere Erzeugung nach dem Bedarf des grossen Publicums einrichten und können nicht nach Cavaliersgeschmack arbeiten ! Wer solche Papiere haben will, der muss sich ausländisches Fabrikat kaufen, das ist für uns kein Geschäft; und gar in drei Formaten und schon beschnitten! auf das sind wir nicht eingerichtet.«

Da schien nun wahrhaftig nicht viel zu machen, aber nach vielem Zureden entschloss sich endlich der Fabrikant zu einem schüchternen Versuch. Ein Probequantum von Papier wurde ausgeführt und sogar mit Verwendung eines Egoutteurs, der jedoch nur auf Rechnung des Auftraggebers bestellt worden war. Der Egoutteur enthielt nur Rippung, noch ohne Spur irgend eines Wasserzeichens. Die Probeanfertigung fiel zwar nicht ganz den Wünschen entsprechend aus, aber das Eine war erreicht, dass nunmehr Billetpapiere und zu ihnen passende Couverts aus gleichem Stoffe auch hier erzeugt werden konnten.

Bald schritt man zu einer zweiten und dritten Anfertigung, die bereits um Vieles besser ausfiel als die erste, aber es zeigte sich auch, dass diese Fabrik für den zu erreichenden Zweck wirklich nicht hinreichend ausgerüstet war, und die Versuche wurden an anderer, leistungsfähigerer Stelle erneuert. So kam man durch fortwährende Versuche in dieser und jener Fabrik dem angestrebten Ziele immer näher. Die österreichische Production erwachte endlich aus dem langen Schlummer, in dem sie bisher ge­legen, und es war der Sporn gegeben, die ausländische Concurrenz auf vaterländischem Boden. zu bekämpfen.

Es war kein leichtes Stück Arbeit; die deutsche, namentlich die rheinländische Industrie hatte in­zwischen auf diesem Felde bedeutende Fortschritte aufzuweisen und die rheinländischen Papiere unter englischer Etiquette behaupteten den Markt bis zur Mitte der Sechzigerjahre.

Das rastlose Bemühen, die heimische Industrie in dasselbe Erzeugungsgebiet zu lenken, war endlich von Erfolg begleitet, und Ende der Sechzigerjahre hatte diese ihre Emancipation von ausländischen Fabrikaten soweit errungen, dass sie nicht nur den inländischen Bedarf durch inländisches Erzeugnis deckte, sondern sogar noch bis zur Exportfähigkeit vorzuschreiten im Stande war.

Nachdem unter dem Einfluss Theodor Theyers die Herstellung wesentlich verbesserter Papier­qualitäten erzielt worden war, gieng Theyer daran, mit einer vorzüglichen Sorte Papier, das er durch

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