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"Meine Reise nach Ägypten" Carl Junker, 1847
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oder Gun el Tineh. Gun bedeutet eine Bucht. Dadas Wasser ausnehmend seicht ist, so mußten wirmit der Brigantine 10. Seemeilen vom Lande vorAnker gehen, die Segel einreffen und kurz aus hierals zu Hause betrachten.- Es werden nun 2. Imbar-kationen vom Schiff herabgelassen und bemannt,-wir mit unsern Habseligkeiten und Mustafa ineinem, die Mannschaft von 20 Köpfen mit Zeltenund einigen Lebensmitteln im andern Boote.1-So ruderten wir wohlgemuth dem Land zu.- Nacheiner 2 ½ Stunden langen Fahrt kammen wir an.Schon von weiten sahen wir eine Menge Männerdie uns ankommen zusahen.- Wir luden daherunsere Waffen und ließen uns, da die Boote nichtbis ans Ufer stoßen konnten, durch die Matrosenans Land tragen2 doch als wir diese Leute näherbetrachteten und mit ihnen sprachen stellte sich heraus,daß es keine gefürchtete Beduinen 3 sondern ganzfriedliche Fischer aus Damiatte waren.Wenn man auf der Landkarte Tineh aufsucht, so istes so bezeichnet, wie wenn hier ein bewohnter Ortwäre, dieß ist jedoch nicht der Fall.- Wir wa-
ren in der Wüste welche zwischen Syrien und Egypten liegt, und die Bucht wo wir landeten ist Gun elTineh, wo man den Ausmündungspunkt des Canalsvon Suez verlegen will.- Das erste was wir alsojetzt zu thun hatten war, uns ein wenig zu orientiren.Zu diesem Ende gingen wir von den Fischern beglei-tet zu einer Ruine, die wir sahen, und welche dasRudera4 der Stadt Pelusium ist.- Dieselbe ist 1 ½Stunden Weg von der See landeinwärts entlegen undman sieht von der einst so blühenden Handelsstadtnichts mehr als Schutthaufen und einzelne Mauern ei-ner Kirche oder Tempels.- Wir gingen hinein underschreckten einen Schackal, der gerade bey der nochganz frischen Leiche eines Mannes seinen Hungerstillte.- Entsetzt fuhren wir zurück, und als wirden Todten näher betrachteten, so mußte er nochnicht lange hier liegen, und sicherlich verdurstetsein. Nach den Fetzen der Kleidung schien erein Beduine. Ich muß gestehen, daß solch einAnblick gerade nicht der angenehmste Empfangwar, und ich einen traurigen Vorgeschmack un-sers künftigen Lebens hier bekam.5 Außeror-

  1. In den nächsten Seiten wird evident, dass die Forschungsreise zur Bucht „Gun el Tineh“ (Nordwest-Sinai) eigentlich ein Gemeinschaftsprojekt mit den ägyptischen Reisebegleitern darstellt und keineswegs eine von den Österreichern geleiteten Expedition. Ohne den ortskundigen Kapitän Mustafa und die ägyptischen Unterstützer hätten die Österreicher nicht nur die Bucht von Tineh nicht gefunden, sondern hätten die lange Zeit in der Wüste vermutlich gar nicht überlebt.

  2. Die Österreicher lassen sich von den ägyptischen Begleitern (Soldaten) tragen, damit sie nicht naß oder schmutzig werden. Das sich „ans Land tragen lassen“ ist eine koloniale Haltung, die das vermeintliche „Überlegenheitsgefühl“ der Europäer versinnbildlicht.

  3. Der Begriff „Beduine“ (arabisch بدوي badawī, „nicht sesshaft“) bezeichnet nomadische Wüstenbewohner, die vor allem auf der Arabischen Halbinsel, in der Syrischen Wüste, auf der Sinai-Halbinsel, in Teilen der Sahara sowie im israelischen Negev leben. Im 19. Jahrhundert stand der Sinai nominell unter der Kontrolle des Osmanischen Reiches. Die Verwaltung durch die Osmanen war jedoch nur lose, was den Beduinenstämmen der Region beträchtliche Autonomie ermöglichte. Die Beduinen der Sinai-Halbinsel spielten im 19. Jahrhundert eine zentrale Rolle in den sozialen und wirtschaftlichen Strukturen der Region. Vor dem 19. Jahrhundert waren Raubzüge und das Erheben von Schutzgeldern durch die Beduinen im Sinai und dessen Umgebung weit verbreitet. Im 19. Jahrhundert zahlten die Bürger von Suez häufig persönliche Schutzgelder an Beduinenwächter, um sich gegen Überfälle zu sichern.

  4. lat. rudus - zerbröckeltes Gestein, Geröll, Schutthaufen, Ruinen (Plur.)

  5. Carl Junker erahnt die Gefahren der Wüste.