schädlichem Staub, von Dünsten aller Art nnd hohen Temperaturen schädigt die Gesundheit der Arbeiterinnen. Wo hat die Arbeiterin Gelegenheit, gute Lust einzuatmen? Aus der Fabrik eilen die meisten möglichst rasch nach Hause, weil sie Hunger haben. Zu Hause ist aber die Lust sehr häufig um nichts besser. In kleinen Wohnungen viele Menschen, Erwachsene und Kinder, darunter ost schwer und infektiös Erkrankte in einem Raum beisammen. Selbst junge un­verheiratete Arbeiterinnen haben ost nicht Zeit. eine Stunde spazieren zu gehen, weil sie der geplagten Mutter abends bei den häuslichen Arbeiten zu helfen haben und weil sie ost stundenlang an der Ausbesserung ihrer Kleider arbeiten müssen, da sie nicht genug verdienen, mit dafür bezahlen zu können. Das Lvs der Fabriks­arbeiterin ist kein beneidenswertes. Arbeit lind immer wieder Arbeil. Bon dein Segen der Arbeit kommt ihnen aber nichts zugute.

Bemerkenswert ist eine Feststellung einer amtlichen, im Fahre lt»-i7 im Teutschen Aeich vorgenommenen Enquete über die Lage der Arbeiterinnen* l.

/Soweit die Näherinnen einen unsittlichen Lebenswandel führen, dürften sie hierzu durch ihren geringen Verdienst veranlasst werden. 'Anderweitige Umstände, iv eiche dazu sühren könnten, sind im allgemeinen nicht bekannt." Kuno Frankenstein schloß eine kritische Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Enquete: .Eine sehr große Zahl der Arbeiterinnen unserer Großstädte erhüli Löhne, welche nicht hinreichen, die n o t iv e n d i g st e » Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen, und befindet sich aus diesem Grunde i n d e r Z w a ii g s l a g e, entweder einen ergänzenden E r- w e r b s z w e l g in der Prostitution zu suchen o d er­de n unabwendbaren Folgen körperlicher und geistiger Zerrüttung zu ve r fall e n."

Man könnte sich versucht fühlen, anzunehmen, daß diese im Fahre gewonnene Erkenntnis durch die gegenwärtigen Verhält - nisse längst überholt ist, und daß es heutzutage, im elften Jahre des 20. Jahrhunderts, solche fürchterliche Dinge nicht mehr gebe. Dcr Umstand aber, daß die Arbeiterinnen einzelner Branchen heute m erträglicheren Verhältnissen leben, daß sie nicht mehr schrankenlos ausgebeutet werden dürfen und daß ihre Arbeitszeit oft auch unter zehn Stunden herabgeht, darf nicht täuschen. Besser haben es nur die organisierten Arbeiterinnen, nur jene, die dadurch, das; sie sich zum gemeinsamen Kampf mit den männlichen Arbeitern vereinigt haben, von Unternehmern nicht nur mehr Lohn und kürzere Arbeits­zeit fordern, sondern auch durchsetzen können. In Gewerkschaften or­ganisiert sind aber in Oesterreich erst -lst.tXiO Arbeiterinnen: ivas be­deutet das angesichts der Tatsache, daß die Zahl der Arbeiterinnen nach Millionen zählt? Tatsächlich leben heute noch viele Tausende der arbeitenden Frauen und Mädchen in menschenunwürdigen Ver­hältnissen, wie an einigen Beispielen gezeigt werden soll.

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*) Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 7. Legislatur