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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Fünfter Band
Entstehung
Seite
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Das Paursche Verfahren und Paurs Griesputzmaschinen wurden um 1811 in den Mühlen von Huppmann in Baden und Spuller in Guntramsdorf eingeführt. Das Badener Mehl und Gebäck wurde bald berühmt, und als 1812 der Bäckermeister Gerber von Baden nach Wien übersiedelte und in der Rothgasse die »Badener Kipfel« und das Kaisergebäck zu erzeugen begann, da war der Erfolg ein durchschlagender.

Dieses wohl mühsame, aber die besten Mehle liefernde Verfahren, die Hochmüllerei, war im Jahre 184g bereits in allen grösseren Mühlen Oesterreichs für die Weizenvermahlung eingeführt, und gestattete, insbesondere aus den »harten« Weizensorten, 1 ) welche einstmals von den Müllern gerne gemieden wurden, höchst nahrhaftes, kleberreiches Mehl von schöner Weisse zu erzeugen.

Die kleinen Mühlen konnten das österreichische Mahlverfahren wegen der kleineren Productions- mengen, welche eine Theilung in viele Sorten ausschliesst, nicht einführen. Sie verkleinerten möglichst rasch, trennten die schwerer zu zerkleinernden Schalentheilchen nur unvollkommen durch Siebe und lieferten ordinäre Mehle. Das Verfahren dieser Mühlen, die Flachmüllerei, war ein weit einfacheres; es wurde auch in grossen Mühlen für Roggenvermahlung in der Hauptsache beibehalten.

In früherer Zeit wurde der Weizen vor dem Vermahlen gefeuchtet (genetzt), um die äusseren Hüllen der Körner zäher und dadurch gegen Zersplitterung widerstandsfähiger zu machen. Der Ueber- gang von dieser sogenannten »Nassmahlerei« zur »trockenen Vermahlung« fällt in die Zeit von 1850 bis 1860, und wurde hiedurch die Haltbarkeit (Dauermehl) der Weisse und Reinheit des Mehles beigefügt.

Als Zerkleinerungsmaschine wurde im Jahre 184g und weiterhin fast ausschliesslich der Mahlgang angewendet. Die vielfachen Versuche mit Walzen führten bis 1873 zu keinem durchgreifenden Erfolge.

Da erfand im Jahre 1874 der Schweizer Friedrich Wegmann nicht nur einen Walzenstuhl ver­besserter Anordnung, sondern veröffentlichte auch die Art des Gebrauches. Wegmann wandte Porzellan­walzen an, Andreas Mechwart, durch ersteren angeregt, theils geriffelte, theils glatte Hartgusswalzen, und beide brachten eine so nachhaltige und mächtige Bewegung hervor, dass in den Jahren 1875 bis 1885 fast alle grösseren Mühlen Oesterreichs, ja Mittel-Europas Walzen einführten, und diese Bewegung bald nach England, Amerika, Russland, Italien, Frankreich und andere Länder Übergriff.

Der Bau von tausenden von Walzenstühlen beschäftigte nicht blos zahlreiche Ingenieure und Maschinenfabriken, sondern regte auch zur Ausbildung der anderen Müllereimaschinen lebhaft an. Die Maschinen zur Getreidereinigung, die Siebmaschinen, die Griesputzmaschinen u. a. m. gaben Gelegenheit zu den mannigfachsten Verbesserungen; der Wettbewerb, die Concurrenz war auf diesem Gebiete ent­fesselt, und der thatsächliche Erfolg bestand in wesentlich erhöhter Leistungsfähigkeit und besserem Pro- ducte, die procentische Ausbeute weisser Mehle der sogenannten feinen Züge wurde bedeutend erhöht und in dem gleichen Raume auch mit weniger Arbeitern eine grössere Getreidemenge vermahlen. Die wesentlichsten Vortheile der neuen Erfindungen Hessen sich nur in grossen Mühlen voll ausnützen, und so kam der Grossbetrieb zur Herrschaft, soweit die wachsende Zunahme der Verkehrsmittel den Absatz seiner Producte ermöglichte. Hunderte kleiner Mühlen verschwanden, was theilweise auch durch die vielfache Einschränkung des Getreidebaues, die Pflege der Zuckerrübe, den vermehrten Futterbau, kurz gesagt, durch die der Aenderung landwirthschaftlichen Production vieler Gegenden bedingt wurde.

Während man den Arbeiter in den alten Mühlen unter der Last des zu tragenden Sackes ge­beugt einherschreiten sah, und er fortgesetzt thätig sein musste, die Zwischenproducte in der Mühle zu transportiren, waren diese Arbeiten in den grösseren Mühlen des Jahres 184g bereits ausserordentlich vermindert, und gegenwärtig werden sie fast ganz von Maschinen besorgt; die Verticalbewegung vermitteln Elevatoren (Paternoster- oder Becherwerke) und Fallrohre, die Horizontalbewegung die Transport­schrauben. Der Arbeiter ist zu dem die Maschinen überwachenden, ihre Bewegungen regelnden und vor Störungen schützenden Organe geworden.

Es mag gestattet sein, in kurzen Zügen die Bedeutung der hauptsächlichsten Verbesserungen der Müllereimaschinen und im Anschlüsse daran die Einrichtung einer grösseren Mühle vor 50 Jahren und von heute in Beziehung auf den Betrieb zu besprechen.

Geschichtlich interessant ist es, dass Walzenstühle schon vor vielen Jahren durch Escher Wyss & Co. in Zürich in ihrer jetzt aufgelassenen Filialfabrik in Leesdorf bei Baden in Niederösterreich, sowie durch die Maschinenfabrik in St. Georgen bei St. Gallen gebaut wurden. Die erstgenannte Fabrik lieferte

') Banater Weizen wurde in den Mühlen der Wiener Gegend zuerst im Jahre 18141815 vermahlen.