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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Fünfter Band
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Im Jahre 1867 wurde mit der Frey-Jelinekschen Saturation begonnen, welche die im Rübensafte neben dem Zucker enthaltenen Substanzen, namentlich die Eiweisskörper, organische und anorganische Säuren in Form eines Schlammes (Scheide- oder Saturationsschlamm) aussondert. An Stelle des alten Pressverfahrens, dessen Nachtheile wir oben gestreift haben, trat im Jahre 1875 die Diffusion; im Jahre 1881 wurde die Osmose und im Jahre 1888 die Affination eingeführt; durch diese einzelnen Reformen wurde die höchste Ausnützung des Rübenmateriales auf bedeutend minder kostspielige Weise erzielt.

Hand in Hand mit diesen Aenderungen in der Productionsweise giengen bedeutende Umgestaltungen der Baulichkeiten und die Einführung zweckmässiger Neuerungen, wie die Anlage von Schleppgeleisen zur Bahnstation, die Installation der elektrischen Beleuchtung etc. Unter dem Einflüsse dieser stetigen technischen Vervollkommnung gediehen und wuchsen die beiden Etablissements immer mehr, und gegenwärtig ist ihre Productionsfähigkeit eine mehr als dreissigmal so grosse als in den ersten Jahren ihres Bestandes.

Inzwischen war Vincenz Fürst zu Auersperg im Jahre 1878 gestorben, und mit den übrigen fürstlichen Gütern giengen auch die beiden Zuckerfabriken auf den gegenwärtigen Besitzer Franz Josef Fürst zu Auersperg über.

Einen flüchtigen Ueberblick über den gegenwärtigen Stand und Umfang der beiden Unternehmungen mögen folgende Daten bieten. Die Fabriksanlagen bedecken mit ihren Gebäuden einen Complex von 14.645 Quadratmetern. Die verschiedenen Betriebsmaschinen, Luft- und Wasserpumpen benöthigen einen Aufwand von 822 Pferdekräften; die 19 Verdampfapparate besitzen eine Heizfläche von 2200 Quadratmeter. Zur Dampferzeugung für die Dampf­maschinen und zum Verkochen der Säfte sind 18 Dampfkessel mit einer Gesammtheizfläche von 2927 Quadratmetern vorhanden. In Zleb wie in Slatinan bestehen eigene Tischler- und Schlosserwerkstätten zur Instandhaltung des F abriksinventars.

Die jährliche Gesammtproduction an weisser Waare beträgt 150.000 Metercentner. Ausser dem in den eigenen Fabriken erzeugten Rohzucker wird jährlich noch ein Quantum fremden Rohzuckers zur Verarbeitung in Raffinade, welches in Hut- und Würfelform in den Handel kommt, angekauft. Während früher der Absatz auf das Inland beschränkt war, wird derzeit ein grosser Theil der Fabrikate nach der Türkei, nach Schweden, Norwegen, der Schweiz und nach Aegypten exportirt.

Die Zahl der in beiden Etablissements beschäftigten Arbeiter beläuft sich auf 1030, von denen viele eine 3040jährige Dienstzeit aufzuweisen haben, welcher Umstand auch das vorzügliche Verhältnis zwischen Arbeiterschaft und Fabriksleitung charakterisirt. Die Bediensteten bleiben gewöhnlich bis an ihr Lebensende in den Fabriken thätig; mit vorrückendem Alter werden sie nach Maassgabe ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechend beschäftigt.

Ausser allen im Interesse der Arbeiter gesetzlich angeordneten Einrichtungen besitzt jede der beiden Fabriken eine eigene Arbeiterküche, ein Spital, einen Kindergarten und eine Kinderbewahranstalt.

An Löhnen und Beamtengehalten werden jährlich 140.000 fl. gezahlt.

Die Ortschaften Zleb und Slatinan haben von der Errichtung der beiden Fabriken grosse Vortheile. Abgesehen von der den Bewohnern gebotenen Arbeitsgelegenheit sind die im Interesse der Unternehmung vorgenommenen Wehrbauten, Flussregulirungen und Meliorationen auch der Gemeinde zu Gute gekommen, die dortigen Landwirthe finden einen günstigen Absatz für die von ihnen gebaute Rübe; die Handwerker haben einen reichlichen Verdienst.

Die fürstlich Auerspergschen Zuckerfabriken beschickten mehrere Ausstellungen, auf denen sie auch prämiirt wurden; so auf der Ausstellung zu Wien 1873 und 1890, auf der Prager Landesausstellung 1891 u. A.

An der Spitze der beiden Etablissements steht seit einer langen Reihe von Jahren als Director, Procura- führer und Disponent Johann Hoffmann, dessen Amtssitz sich in Zleb befindet. Unter seiner Direction wurden die meisten der erwähnten Veränderungen vorgenommen, und er ist nach wie vor bestrebt, jedem Fortschritte in der Zuckerfabrication Eingang in die von ihm dirigirten Fabriken zu verschaffen.

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