EM. PROSKOWETZ

K. K. LANDESBEFUGTE ZUCKERFABRIK

KWASSITZ.

ie Kwassitzer Zuckerfabrik im nördlichen Mähren, in der Hanna gelegen, ist eine der ältesten Zucker­fabriken des Kronlandes. Sie wurde von ihrem Besitzer Emanuel Ritter von Proskowetz, dem als Land- und Volkswirth weitbekannten Industriellen und Reichsrathsabgeordneten, im Jahre 1850 gegründet, zu einer Zeit, als die österreichische Zucker-Industrie ihren Aufschwung" zu nehmen begann. Ihre erste Campagne wurde mit einer Gesammtrübenmenge von 58.250 und mit einer Tagesleistung von 620 Wiener Centnern eröffnet, während die jetzige Tagesleistung ungefähr das Zehnfache beträgt, bei einer auf der Höhe der Zeit stehenden, modernen und rationellen Einrichtung.

Wie bei allen Fabriken jener Zeit, wurde auch hier aus der Rübe direct weisse Waare erzeugt und dieser sogenannte Saftmelis in Hutform zum Consum gebracht.

In der Folge, in den Siebzigerjahren, wurde dann diese »gemischte« Arbeit aufgegeben und zur ausschliesslichen Erzeugung von Rohzucker übergegangen. Diese Maassnahme wurde durch die einstweilen erfolgte Einführung des weltberühmten Diffusionsverfahrens einer österreichischen Erfindung erleichtert und durch die Arbeits- theilung zwischen raffmirenden und nur Rohzucker erzeugenden Fabriken bedingt.

Die wirthschaftliche Bedeutung des Unternehmens war eine über den eigentlichen Wirkungskreis weit hinaus­gehende, da gleich von Anbeginn der Fabriksbetrieb mit dem Betriebe einer grösseren Landwirthschaft verknüpft wurde, welch letztere in der Folge zur Berühmtheit gelangt ist.

Ist überhaupt der Einfluss der Zuckerfabrication auf die Hebung des Landwirthschaftsbetriebes ein ausschlag­gebender, so bildete speciell der Betrieb der Kwassitzer »Fabrikswirthschaft«, wie der Kunstausdruck lautet, in der Geschichte der mährischen, ja der österreichischen intensiven Landwirthschaft den Beginn einer Epoche.

Von weither kam man, den Betrieb von Landwirthschaft und Fabrik zu studiren, und viele hervorragende Fachleute verdanken der Kwassitzer Stätte ihre Ausbildung" und Förderung.

Auf die bäuerliche Landwirthschaft war der Einfluss exempla trahunt! umso tiefgehender, als der selbstlose, für das Gemeinwohl unermüdliche Besitzer der Fabrik die Kleinlandwirthe zum Fortschritte aufmunterte und ihnen durch »Feldpredigten«, Musterwirthschaften, Drainagen, Ausstellungen u. dgl. m. zu einer Zeit den Weg rationellen Fortschrittes wies, wo solche Förderungen der Selbsthilfe noch nicht üblich waren.

So verschwanden nach und nach die meilenweiten Hutweiden mit ihrem kümmerlichen Graswuchse, es verschwand die Brache, vielfach fanden Ochsen anstatt der kostspieligen Pferde Eingang und die Zeiten giengen für immer vorüber, da der Bauer mit einem Viergespann von Pferden die Egge über den Acker zog, wo man vornehmlich Hirse, Mohn und Hanf baute, und dergleichen Atavitisches mehr.

In der Folge trat Kwassitz immer mehr in den Vordergrund durch die Einführung neuer Maschinen und Verfahren so gelangte unter Anderem die erste Mähmaschine in Oesterreich in Kwassitz zur Erprobung durch die rationelle Züchtung und Mästung von Vieh, durch die Durchführung kritischer Versuche, namentlich aber durch die rationelle Züchtung von Zuckerrübensamen und von Saatgerste. Kwassitz war eine der ersten Rübenzuchtstationen in Oesterreich, und im Kwassitzer Fabrikslaboratorium entstanden eine ganze Reihe chemischer Arbeiten, welche sich gleichzeitig in ganz neuartiger Weise mit der biologisch-physiologischen Seite der Rübenfrage beschäftigten.

Fast in der ganzen Welt bekannt ist die in Kwassitz gezüchtete Original-Hanna-pedigree-Gerste, welche einen Erfolg ersten Ranges aufzuweisen hat. Für Mähren, aber auch für andere Theile der Monarchie wurde der alte Ruf zurückerobert, das erste Gerstenland Europas zu sein, ein Ruf, der seinen Ausdruck in einer ungeahnten Steigerung der Erträge fand und geradezu classisch geworden ist.

Wenn heute die bäuerliche Landwirthschaft der Umgebung nicht wie der zu erkennen ist, so ist dies zumeist dem Einfluss der Kwassitzer Fabrik und der Ingerenz ihres Besitzers zu danken. Die Preise einiger Artikel spiegeln am besten den Gang der Zeiten: Im Jahre 1850 kostete der nied.-österr. Metzen Weizen fl. 3.15, nied.-österr. Metzen Korn fl. 1.89, nied.-österr. Metzen Gerste fl. 1.61, der Doppelcentner Rübe fl..78, der »Wiener« Centner Weiss­zucker (Saftmelis) ungefähr 35 '/ 2 Gulden.

Während der Zucker sich also ganz ausserordentlich verbilligt hat, sind die Rübenpreise höher, von der Steigerung der Erträge ganz abgesehen.

Welche Zuschüsse dem flachen Lande durch die Zucker-Industrie zu Theil geworden sind, ist schon aus dem einen Moment zu ersehen, dass die Kwassitzer Fabrik in der aufstrebenden Periode von 1851/52 bis einschliesslich Fabrikslöhnen allein über eine Million Gulden verausgabte. Es ist somit zu wünschen, dass die industriellen Betriebe, namentlich jene mittleren Umfanges, recht prosperiren möchten, weil sie den Fortschritt in die breiten Schichten tragen und weil sie in socialer Hinsicht, namentlich zur Winterszeit, segenspendend wirken.

Unter den hervorragendsten Sitzen steter Förderung der landwirthschaftlichen Industrie wird Kwassitz immer als einer der Ersten genannt werden müssen.

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