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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Fünfter Band
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G. HELL & COMP.

PULVERISIR ANSTALT UND FABRIK PH ARM A CEUTLSCH-CHEMISCHER PRODUCTE

WIEN, TROPPAU, KOMORAU UND GILSCHWITZ.

ie Fabrication pharmaceutisch-chemischer Producte blieb in Oesterreich hinter Deutschland und Frank­reich so sehr zurück, dass Arzneipulver, Extracte aus medicinischen Vegetabilien und selbst gewöhn­liche chemische Präparate bis Anfangs der Achtzigerjahre fast ausschliesslich aus Deutschland bezogen werden mussten, weil die inländischen Erzeugnisse weder in der Qualität noch in den Preisen den Anforderungen der Apotheker genügten.

Das war der Grund, weshalb der Begründer der Firma, »G. Hell & Comp.«, Apotheker Gustav Hell in Troppau, im Jahre 1880 es unternahm, das von ihm im Jahre 1870 mit Dampfbetrieb eingerichtete Laboratorium, welches nur dem Bedarfe der eigenen Apotheke und dem Betriebe der Sodawassererzeugung gewidmet war, zu erweitern und eine pharmaceutisch-chemische Fabrik zu begründen. Die Idee wurde von den Apothekern der österreichisch­ungarischen Monarchie beifällig aufgenommen, und die dargestellten Präparate fanden so lebhaften Absatz, dass sich Apotheker Hell schon im Jahre 1882 veranlasst sah, ein ausserhalb Troppau gelegenes, mit Wasserkraft ver­sehenes Mühlenetablissement anzukaufen und zu adaptiren, um die Fabrication im grösseren Umfange betreiben zu können. Um die hiezu erforderlichen grösseren Fonde zu beschaffen, wurde im Jahre 1883 die Gesellschaftsfirma G. Hell & Comp, mit dem Sitze in Troppau und einer Zweigniederlassung in Wien gegründet. Die dargestellten Präparate wurden in Qualität und Preis als concurrenzfähig anerkannt und der Firma auf der I. internationalen pharmaceutischen Ausstellung in Wien im August 1883 die höchste Auszeichnung, das Ehrendiplom, zugesprochen.

Aus der Chronik der Firma, welche im Jahre 1883 mit nur 30 Personen ihre Thätigkeit aufnahm, seien hier die wichtigsten Daten angeführt:

1884. Vervollständigung der maschinellen Einrichtungen, Beginn der Erzeugung von Verbandstoffen, pharma­ceutischen Zuckerwaaren und Senfpapier.

1885. Beginn der Vaselinfabrication, Ankauf und Vergrösserung des Etablissements Fässer in Wien zur Darstellung von Medicinal-Oblaten. Ankauf der Fabriksrealität in Koraorau und Adaptirung derselben.

1886. Uebersiedlung der Extract-, Vaselin-, Verbandstoff: und Zuckerwaaren-Fabrication in das neu adaptirte Etablissement in Komorau. Beginn der Fabrication einer Anzahl chemischer Producte.

18871890. Die neu in die Fabrication einbezogenen Producte und Präparate wurden auf mehreren Aus­stellungen vorgeführt. Gründung einer Droguerie en gros.

1891. Erweiterung der Wiener Zweigniederlassung und bedeutende Vergrösserung der Fabrikseinrichtungen in Komorau. Einrichtung für die Sterilisirung von Verbandstoffen.

1892. Errichtung eines analytischen Laboratoriums und Darstellung chemisch reiner Reagentien. Beginn der Erzeugung von Hells Eisen- und Eisenmangan-Präparaten, von Prof. Horbaczewskis Nucle'in aus Kalbsmilzen und von medicinischen Gelatinekapseln.

1893. Die im Jahre 1883 kaum 30 Personen Beschäftigung bietenden Fabriken zählen in diesem Jahre be­reits 150 Angestellte, darunter 30 Beamte.

18941895. Die Fabrikslocalitäten wurden in diesen Jahren durch Zubauten erweitert und eine Anzahl grosser neuer Arbeitsräume geschaffen. In derselben Zeit ist auch die Fabrication von Kautschukpflastern nach amerikanischem System, von Wachspapieren und comprimirten Tabletten aufgenommen worden.

1896 brachte der Firma eine grosse Betriebsstörung, indem im März d. J. die Extract-Abtheilung ein Raub der Flammen wurde. Erst nach sechs Monaten konnte die unterbrochene Fabrication wieder aufgenommen werden, und manche Einrichtungen wurden erst im Jahre 1897 wieder hergestellt. Natürlich wurden alle Neuanschaffungen im Sinne des technischen Fortschrittes gemacht.

Zu Beginn des Jahres 1898 hat die Fabrik nach längeren Vorstudien die Darstellung von »Ichthyolum austriacum«, jetzt Petrosulfol genannt, in Angriff genommen. Auf der Jubiläums-Ausstellung des Jahres 1898 war die Firma durch zwei grössere Objecte vertreten.

Die Bemühungen der Firma und ihres Begründers, eine neue, leistungsfähige Industrie in Oesterreich zu schaffen, waren von Erfolg begleitet, wie auch aus den vielfachen Auszeichnungen hervorgeht. An solchen erwarb

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Die Gross-Industrie. V.

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