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Der Suezkanal : seine Geschichte und seine wirtschaftspolitische Bedeutung für Europa, Indien und Ägypten / von Alfred Birk und Karl Hermann Müller
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I. Die Studiengesellschaft.

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bereits vollendeten Arbeiten vorzuweisen, ihnen die Grundzüge unserer Gesell­schaft bekannt zu geben und ihren Schutz anzurufen und ihr inniges Einver­ständnis über diese Frage herbeizuführen, daßsie eine gemeinsame Sache der großen Mächte und eine Bedingung des Friedensvertrages werde, den sie abschließen wollen. Die Gelegenheit scheint herrlich und Ihrer würdig, lieber Kollege, es ist unbedingt Österreich, dem in diesem Augenblicke die anregende Rolle 3S ) für ein solches Werk zukommt, sein Vorteil drängt es dahin, ebenso wie das Gefühl des Ruhmes, der sich an diesen ersten Schritt auf dem Wege einer Friedens­diplomatie von Weltbedeutung knüpfen wird. Wie Sie es von ganz Europa sagen, so hat es vor Allem Österreich nötig, den Überschuß seiner Arbeitermassen nach Ägypten zu werfen, wie Frankreich nach Algerien und England wird wohl in seiner Vermittlerrolle die Hand zu dieser europäischen Beruhigung bieten müssen; wenn die französische und die englische Diplomatie die Gelegenheit, England an dieser Ausdehnung Europas gegen die südlichen Küsten zu beteiligen versäumen, wird der Friede der Welt für lange Zeit verzögert und wird der Ver­trag, den man für die Lombardei machen wird, nur ein Waffenstillstand von einigen Monaten sein. Bieten Sie den Diplomaten die Frucht unserer Arbeit und die Hilfe der Ingenieure, die am meisten berufen sind, Europa zur friedlichen Eroberung des Ostens zu führen. Bewirken Sie, daß unsere drei Großmächte den Keim entwickeln, den wir gelegt und gehütet haben; verlangen Sie von ihnen, uns amtlich zu beauftragen, daß wir zum Vorteile der Gesamtheit den schönen Traum erfüllen, den wir gestaltet haben, und uns zur Belohnung unsere Ruhmespforte überlassen. Geschäftlich gesprochen: übergeben wir den Mächten unsere Vorarbeiten und lassen wir uns von ihnen die Mittel geben, sie zu ver­wirklichen. Diplomatisch ausgedrückt: erwirken Sie von Ihrer Regierung den Auftrag, mit den Regierungen Frankreichs und Englands wegen der Ausführung des Kanals zweier Meere auf gemeinsame Kosten und unter der Leitung der Gründervereinigungsingenieure zu verhandeln.

Negrelli leitete Enfantins Brief, der die neuen Bahnen für erfolg­reiche Tätigkeit darlegte und den politischen Weitblick Enfantins offenbart, unverzüglich an Dufour, der eine Abschrift des ganzen Briefwechsels zwischen Negrelli und Enfantin an Bruck nach Frank­furt sandte und Anfangs Oktober die erfreuliche Nachricht erhielt, daß sich die Reichspartei des Parlamentes, das damals in Frankfurt tagte, hoffentlich baldigst mit Suez beschäftigten werde,wenn sich die gegenwärtigen Stürme nur einigermaßen gelegt haben würden. Eine zweite Abschrift des Briefes ging an den Fürsten Metternich, der in London weilte und die Suezfrage stets so warm aufgefaßt hatte, Dufour war der Überzeugung, daß er irgendwie in England Gelegenheit finden werde, seine Stimme zu Gunsten des Kanals zu erheben und so vielleicht auch in der Ferne der guten Sache zu

dienen. 40 ) England blieb ja das Sorgenkind der deutschen

Gruppe.