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Geschichte des Suezkanals.
daß die vom Mai bis Oktober vorherrschenden Nord- und Nordwestwinde den Spiegel des Mittelmeeres heben und einen Strom von Nord nach Süd erzeugen, während im Winter diese Umstände gerade entgegengesetzt sind und der Strom von Süd nach Nord geht; die Sandwehen steigen höchstens bis 0,1 m innerhalb eines Jahres, so daß ihre Wirkung durch Baggerungen leicht zu beheben ist.
Den Kernpunkt der Verhandlungen bildete die hochbedeutsame Frage der Schleusenanlagen an den Kanalmündungen. Einige Ingenieure, unter ihnen auch Conrad, hielten Schleusen für notwendig; sie stützten ihre Anschauung auf nicht leicht wiegende Gründe: Die Anlage von Schleusen würde die Höherlegung der Kanalsohle um einen bis anderthalb Meter ermöglichen und dadurch den Erdaushub um 17 Millionen Kubikmeter vermindern; sie würde den Kanal gegen Versandung und Verschlämmung sichern und die Ruhe des Kanalspiegels, die keine Meeresströmungen stören würden, gewährleisten. Demgegenüber wiesen Negrelli, der sich mit größtem Eifer für seinen Vorschlag einsetzte, und seine Anhänger darauf hin, daß die Ersparnisse beim Erdaushub durch die notwendig werdende Errichtung hoher Dämme in den Bitterseen ausgeglichen würden; sie betonten, daß die 330 Millionen Quadratmeter fassende Fläche dieser Seen die Macht der Meeresströmungen wesentlich mäßigen würde und legten ganz besonderen Nachdruck darauf, daß die Anlage von Schleusen an den Kanalmündungen die Schiffahrt in hohem Grade beeinträchtigen müßte. Die Reden gingen Hin und her; die Entscheidung erschien zweifelhaft, da kommt die Rettung des schleusenlosen Kanals aus den Reihen der Marinevertreter, die sich von Anfang an der Anregung Negrellis günstig gezeigt hatten. Lieussos, der Hydrograph der kaiserlichen französischen Marine beantragte, den Kanal zunächst ohne Schleusen auszuführen, weil ja die Möglichkeit der nachträglichen Anlage von Schleusen, wenn sie sich notwendig zeigen sollten, nicht ausgeschlossen sei. Das gab die Entscheidung. Die englischen Seeleute stimmten mit Lieusso; der sardinische Minister sprach sich ebenfalls gegen die Schleusen aus; „der preußische Vertreter hat wohl nichts gesprochen, aber für mich gestimmt“ schrieb Negrelli an Revoltella, ihm den Sieg des schleusenlosen Kanals anmeldend. 77 )
Die weiteren bau- und betriebstechnischen Fragen, die Lesseps der Beratung unterbreitete, wurden verhältnismäßig rasch erledigt. Der Kanal sollte die geringste Tiefe von 8 m erhalten, seine Breite sollte