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34 Religion.
Osiris’ Grab wurde au vielen Orten gezeigt, doch galt das in der Stadt Busiris im Delta für das echteste, und hier wurden ihm und seiner Gemahlin an dem Tage, wo die Sonne durch das Zeichen des Skorpions geht, seinem Todestage, auch die grössten Feste gefeiert.
Die Priester hatten grossen Einfluss, doch darf man sich nicht vorstellen, dass sie das Land in politischem Sinne regiert hätten. Der Staat gehörte den Pharaonen allein und ausschliesslich. Die Aegypter sind in der Erhöhung der Herrschormacht weiter gegangen als irgend ein Volk, sie haben ihre Despoten göttlich verehrt. Die Könige stammen nicht blos von den Göttern ab, sie sind selbst Götter des Landes. Die Götter müssen sogar (auf den Monumenten) die Könige bedienen. Häufig opfern die Könige ihren königlichen Vorfahren, ja auf einigen Darstellungen bringen sie sogar sich selbst Opfer und sehr charakteristisch ist, dass Amunoph der Dritte sich in Nubien selbst einen Tempel erbaute. Diese Vergötterung der Könige dauerte übrigens bis in die späteste Zeit.
Die Aegypter glaubten nicht blos an ein Leben nach dem Tode, sondern auch an die Belohnung der Guten und die Bestrafung der Bösen im Jenseits. Osiris ist der König dieser j’euseitigen Welt. Nach dem Tode steigt die Seele im Westen mit der sinkenden Sonne hinab unter die Erde, in den „Amentes“. Am Thore dieses Ortes sitzt der Wächter oder Verschlinger der Unterwelt, ein Ungethüm mit weit anfgesperrtem Bachen. Im Vorhof der Unterwelt, im „Saale der doppelten Gerechtigkeit“, d h. der lohnenden und strafenden, wird das Gericht über die Todten gehalten, von dem wir im Grabe B-amses des Fünften bei Theben ein Bild haben. Osiris, den Krummstab und die Geissei in der Hand, sitzt auf einem Throne, umgeben vom Wasser des Lebens, aus welchem Lotosblumen spriessen. Neben dem Gotte sitzen, Straussenfedern, die Symbole der Wahrheit und Gerechtigkeit, in den Händen, 42 Todtenrichter, welche über die 42 Todsünden der alten Aegypter Gericht halten. Der Todte bittet mit der Versicherung, keine Sünde begangen zu haben, Osiris um Aufnahme unter die Seligen. „Er habe nicht gestohlen, Niemand gemordet, nicht geheuchelt, das Eigenthum Gottes nicht gestohlen noch die Speisopfer geraubt, sei kein Trunkenbold und kein Ehebrecher gewesen, habe seine Bede nicht unnöthig verlängert u. s. w.“ Darauf wird das Herz des Todten in die eine Wagschale der Wage der Gerechtigkeit gelegt, während in der andern die Straussenfeder der Wahrheit liegt. An der einen Schale steht Anubis mit dem Schakalkopfe, an der andern der sperberköpfige Horus. Thot sitzt dabei, um das Ergebniss der Prüfung aufzuzeichnen. Ist das Herz zu leicht befunden, so wird der Todte in die aus 75 Abtheilungen bestehende, an Qualen und Peinigungen aller Art reiche Hölle gesandt. Die Seelen derer dagegen, welche gerecht befunden worden, erhalten die Straussenfeder der Ge- ; rechtigkeit und die Göttinnen Hathor und Nutpe giessen von ihren Lebensbäumen, der Persea und der Sycomore, Wasser des ewigen Lebens auf sie. So gestärkt durchschreiten sie die schreckliche Unterwelt
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