Kairo. 93
Nilakazien und Sykomoren führt von Kairo aus dahin durch wohl angebaute Fluren, die von weissschimmernden Landhäusern und einzelnen Palmengruppen unterbrochen werden. Der Garten, der einen Flächenraum von circa 14 Morgen einnimmt, ist seltsamer Weise im altfranzösischen Eokokostyle angelegt, aber man vergisst den Zopf dieses Geschmacks über der orientalischen Vegetation, die ihn überwuchert. Eine Menge tropischer Gewächse, Citronen- und Olivenbäume und selbst indische Limonensträuche kommen hier mit schönen I Früchten oder Blüthen beladen im Freien fort, und die reizenden Rosen- und Geranienbeete, neben den mit bunten Steinen belegten Wegen, die Farbenpracht anderer mit Wasserkünsten geschmückter Anlagen und der balsamische Wohlgeruch des Ganzen bieten einen nicht gewöhnlichen Genuss, zumal im Winter. Der Mittelpunkt dieses Zaubergartens bildet ein Basin von grauem Marmor, aus dem sich eine von Krokodilen getragene Insel erhebt, die mit einem glänzenden Gitter umgeben ist. Der hier befindliche schöne Kiosk, einst Mehemed Alis Lieblingsaufenthalt, ist Fremden zugänglich, und man hat hier eine anmuthige Aussicht auf den Nil. Die mit dem Garten verbundene Menagerie ist unbedeutend. Der Palast bietet ebenfalls wenig Sehens- werthes.
Schliesslich mag man noch einen Ausflug nach der sogenannten Barrage machen (arabisch Fum el bachert). Dieselbe befindet sich etwa anderthalb deutscfle Meilen von Kairo, wo der Nil sich in den Rosette- und Damiettearm theilt, und ist ein hydraulisches Kunstwerk in Form einer Schleussenbriicke. Da der Strom oft nicht hoch genug steigt, um alle Kanäle des Landes mit Wasser zu speisen, so glaubte man ihn durch eine solche Vorrichtung stauen zu können, ja man dachte sogar an eine Bewässerung bis jetzt von der Ueberschwemmung überhaupt noch nicht erreichter Landstriche. Wäre dieser Zweck durchgeführt worden, so würde man die Provinzen Baireh und Kharkieh zu allen Zeiten bewässert, gegen 25,000 Schadufs und Sakiehs (Bewässerungsmaschinen) und die Kräfte von ebenso vielen Menschen und doppelt so vielen Ochsen, die dabei beschäftigt sind, erspart, die Kanäle des Nil schiftbar gemacht und endlich das Eindringen des Meerwassers in die Küstenseen verhindert haben. Der Plan, von dem Franzosen Linant Bey entworfen, ging dahin, einen gewaltigen Steindamm mit 24 Bogenthoren von 30 Fuss Breite und einem Mittelbogen von 92 Fuss Breite über den Rosettearm, einen ähnlichen Damm mit 16 Bogen von 30 Fuss Breite und einem Mittelbogen über den Damiettearm und einen grossen, mit Schleussen versehenen Kanal durch die Mitte des Delta zu führen. Die Mittelbogen sollten stets offen, die Seitenbogen dagegen während des niedrigen Wasserstandes geschlossen sein. Dieses Stauwerk würde das grossartigste Bauwerk der Welt gewesen sein, wenn es vollendet worden wäre. Allein nur der Damm über den Damiettearm ist fertig geworden, und die Arbeiten sind jetzt schon seit mehrern Jahren eingestellt, einige Bogen sind gesprengt, ja es heisst sogar, dass das ganze wieder niedergerissen werden soll. Es hat sich