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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
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119
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Die Nilreise bis nach Theben. 119

Das Interesse an der Landschaft erschöpft sich (mit Ausnahme der Alterthümer) hei dem, der nicht Zeit hat, dieselbe nebst ihren Bewohnern ernstlich zu studiren, ziemlich bald. Wer am Nil viele an- muthige Punkte, Abwechslung in der Gestaltung und im Colorit der Gegenden sucht, wird sich getäuscht finden.

Aegypten ist von Kairo an aufwärts ein bald breiteres, bald schmä­leres grünes Wüstenthal, eingefasst von kahlen röthlich grauen Hügel­ketten, die bisweilen als schroffe Klippen unmittelbar am Flusse hinlaufen, bedeckt mit reichtragenden, aber immerhin prosaischen, Getreide-, Zuckerrohr-, Gemüse- und Baumwollenfeldern, in denen im Schatten von Palmenhainen, Sycomoren- und Akazienwäldchen erdfahle Dörfer und hier und da ebenso gefärbte mit weissen Minarets und Landhäu­sern von Beys und Paschas geschmückte kleine Städte liegen. Hier und da das Grab eines moslemitischen Heiligen. Dort eine Herde schwarzer Ziegen, brauner Schafe oder grauer Büffel. Da ein Zug Kameele, ein Eselreiter, eine knarrende Bewässerungsmühle, verschlei­erte Frauen mit alterthümlichcn Krügen auf den Köpfen zum Strom­spiegel hinabsteigend, nackte Kinder und kläffende Hunde, auf dem Flusse Schwärme von Gänsen, Ibissen und Pelikanen, über den Dör­fern wilde Tauben wie Mücken, in Stadt und Dorf unendlicher Un­rath, Schutt und Ruin, das ist Alles. Eins gleicht dem Andern zum Verwechseln, zum Terzweifein.

Dagegen hat das Leben in den Barken des Nil einen Zauber, der bei wenigen Gemüthern seine Wirkung verfehlt. Der Reisende ist vollkommen König auf seinem Boot Die Luft ist balsamisch, der Him­mel klar, das Klima ein ewiger Frühling, das Hingleiten auf dem Strome einladend zu träumerischem Nichtsthun, zu behaglicher Beschau­lichkeit wie keine andere Fahrt. Für Manchen wird die Nilreise ein­zelne Momente des Verdrusses und der Langeweile haben. Aber we­nige fanden wir, die sich nicht mit Entzücken des Gesammteindrucks erinnerten, den jenes eigenthümliche Leben auf der Barke, welche für acht Wochen ihre Heimat war, mit seiner stillen Heiterkeit und seiner vollkommenen Ungebundenheit in ihrer Seele zurückgelassen.

Die Schiffer der Nilbarken sind, wie alle Aogypter, grosse Lieb­haber von Musik und Gesang. Man findet oft recht gute Sänger unter der Mannschaft einer Dahabieh, und diese gemessen dann einer be- sondern Bevorzugung von Seiten ihrer Kameraden. Beim Rudern singen sie improvisirte, bisweilen ganz sinnlose Strophen, bald auswendig gelernte Lieder mit heller Stimme ab. So beleben sie den Takt ihrer Ruderschläge bisweilen mit den eintönig wiederholten Worten:Nebbi, Allah, yAllah! (Prophet, Gott, 0 Gott) oder:Imlal, Imlal, Imlali! (Fülle, fülle, fülle mir, seil, den Becher). Ein andrer Ausruf dieser Art lautet:Ya Arafat, ya Allah! (o Arafat*), 0 Gott). Andre als Refrains gebrauchte und häufig gehörte Sätze sind:Allah! Daman- huri! (Gott! 0 Mann von Damanhur**) ferner:Y Abu Mohammed

*) Ein heiliger Berg bei Mekka.

**) Ein berühmter Heiliger des Islnr».