130 Die Nilreise bis nach Theben.
untern von Säule zu Säule spannenden Steinbalken trennt, dann aber rechts und links auf der geneigten Kante der Seitenwände herabläuft und so den ganzen untern Tlieil der Front unter dem Holilgesiins einrahmt. Natürlich haben wir hier statt der triglyphenartigen Gliederung der Breitseiten des Sarkophags die durchbrochene Säulenfront; sie ist aber unten durch Zwischenschranken verbunden und öffnet sich nur in der Mitte zwischen den an die Mittelsäulen gelehnten Portalpfeilern bis auf den Boden.
Gehört nun die Vorhalle der römischen Kaiserzeit an, so fällt die Erbauung des Tempels oder doch die erste Anlage desselben in eine frühere Periode. Umgehen wir die geneigten Seitenwände desselben, aus denen oben gewaltige Löwenfiguren als Wasserabzüge herausgreifen, so finden wir auf der Hinterwand die Gestalten der regierenden Häupter aus dem Jahrzehnt dargestellt, in dem der Bau des Heiligthums begann. Ks ist Ivleopatra und ihr Sohn, der junge Cäsar, wie die dabei befindlichen griechischen Charaktere zeigen. Das Gesicht der Fürstin ist sehr zerstört und dürfte auch früher die Schönheit nicht haben erkennen lassen, die sie berühmt machte.
Vorn im rechten Winkel zur grossen Tempelhalle, auf ihrer Linken, d. h. im Norden, steht ein sogenanntes Typhonium. Es ist ein tiefer, mehrfach abgetheilter Kaum, in den jetzt der Schuttberg hinabführt. Aussen umgibt ihn in den Flanken und nach hinten ein verschütteter Säulengang, dessen Kapitale an ihrem überragenden und die Decke aufnehmenden Pfeiler nach allen vier Seiten die grinsende, missgeformte Figur zeigen, in welcher man bisher den bösen Gott Typhon zu erkennen glaubte. Auch das ist ein Irrthum. Die Gestalt j ist Phtha. der urvorvveltliche Zeugegott, und das Innere des Tempels ! bedeutet ein symbolisches Gebärhaus der Hathor, der Göttin der Un- j terwelt und der Nacht, die von ihrem Gemahl, dem Sonnengott Re. | den Ehn, den jungen Gott des Tages hat. Wir erblicken den Ehu — | der vielleicht mit der griechischen Eos verwandt ist — selbst im Tempel abgebildet, wie er auf einer Lotosblume sitzt und den Finger ; im Munde hat, ein Zeichen der Kindheit. Solche symbolische Gebiir- häuser — Mameisi genannt — trifft man häufig zur Seite eines grossen Tempels, in dem ein Götterpaar wohnt, und Phtha, als urschöpferische Gottheit, ist an solcher Stelle ganz an seinem Platze.
! Wir fügen noch hinzu, dass die Kugel mit den geflügelten
Schlangen über dem Porticus das Sinnbild der Sonne, und der heilige Geier, der in jeder Kralle einen Federscepter hält, der Schutzgeist der : Helden und Könige ist. Der an der Decke jenes Porticus angebrachte ; Zodiacus soll eine mitternächtliche Consteliation zur Zeit der Sommersonnenwende bedeuten. Aus dem Chaos der verschiedenen Figuren ; springen erst bei genauerer Betrachtung die Zeichen des Löwen, des Widders, der Jungfrau, des Steinbocks. des Schützen, der Zwillinge j nnd des Scarabäus hervor, der hier den Krebs vertritt. Auf dem Dache 1 des Tempels geniesst man eine entzückende Aussicht auf das Nilthal.