Theben.
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hat in der Kette seiner Höfe auch die kleine Kammer des Allerheiligsten, die hei jenen Anlagen fehlt. Sie enthielt hier in Theben wahrscheinlich ein Bild Amuns oder einen lebendigen Widder, das diesem Gotte geweihte, ihn hieroglyphisch vertretende Thier.
Hinter diesem Tempel erhebt sich ein zweiter, grösserer und schönerer Tempel, der, gleich dem Memnonium die Schöpfung des Ehrgeizes eines Einzelnen, d. h. eben einer jener Gedächtnissstempel ist, durch welche Könige ihre Thaten zu verewigen pflegten. Wir begegnen abermals einer Doppelstirn pyramidalgeneigter Massenflügel mit dem Thor dazwischen, mächtigen Pylonen, die unten mit Sculp- turen geschmückt sind. Man tritt durch ein erstes Thor in den jetzt tief verschütteten Vorhof. Links ragen aus den Schutthügeln die Kapitale der Flankenstellung, rechts die verstümmelten Osirisfiguren, welche an den Pfeilern der andern Flankenhalle lehnen. Dann folgen wieder mächtige Pylonen. Die dazwischen liegende Pforte leitet in den innern Hof, der Spuren grosser Farbenpracht zeigt. Gleich die Decke iles Pfeilerganges, welcher ihn nach der Eintrittseite säumt, ist noch lebhaft blau mit goldnen Sternen. Zur Rechten und Linken hat der vierseitige Hof eine gewaltige Säulenstellung; nach vorn und hinten sind es Osirispfeiler, von denen die jenseitige Ordnung in einer tiefem Halle noch eine Säulenreihe hinter sich nimmt, xlber die Kopten, die in der Folge eine christliche Kirche daraus machten, haben den Gottesgestalten, die mit gekreuzten Armen an ihren Pfeilern lehnen, die Köpfe abgeschlagen und die Triumphzüge des Königs Ramses III., der dieses Heiligthum gebaut, mit Koth überklebt. Aus den Trümmerstücken des zerstörten innern Tempels fertigten sie eine Art korinthischer Säulen an, die jetzt noch im Hofe stehen oder liegen, unverträglich in ihrer Geschmacklosigkeit mit dem ägyptischen Geiste dieser Hallen, gegen die sie fast so unangenehm abstechen, als die Kothhütten von Medinet Habu.
Die grosso Hinterthür dieses Hofes unter ihrer Doppelhalle von Säulen und Pfeilern sollte weiterführen in den gedeckten Säulensaal, der in ägyptischen Tempeln zu folgen pflegt. Derselbe ist aber bis auf den Quadersockel verschwunden, und auch der letztere ist in Schutt und Staub begraben.
Interessanter noch als die Ruinen der Gebäude sind die an ihnen befindlichen Sculpturen, von denen wir irn Folgenden die wichtigsten erklären.
Im Innern des kleinen Hofes wird die Vorderseite der rechten Pylonwand fast ganz von der kolossalen Figur des Gründers dieses Teinpelpalasts, Ramses Meiamun, eingenommen, der seine Keulenaxt über einem Haufen bärtiger Gefangenen schwingt, während er sie mit der Linken bei den Haaren fasst. Amunre, von ebenso kolossaler Gestalt, bietet ihm das himmlische Sichel-Schwert mit den Worten: „Nimm diese Waffe, mein geliebter Sohn, und schlage die Fürsten der fremden Länder.“