Von Assuan bis Wadi Haifa. 207
Nach dem grossen westlichen Ausbug des Nil trifft man bei dem Hinaufgehen einen eben so grossen östlichen. Man vermeidet auch diesen durch einen Weg durch die Wüste. Sandige Flächen wechseln auch hier mit felsigem Gebirge. Es ist jedoch diese Wüste weniger dürr und öd, weil hier bereits eine Eegenzeit stattfindet und der Boden sich mit Stachelpflanzen und Mimosenbüschen bedeckt. Gazellen und Antilopen hausen darin. Es ist die Wüste Gilif. Alterthümer versäumen wir, wenn wir den Nil verlassend, sie durchschneiden, keine. Dagegen sehen wir dann nicht die Stelle, wo der Atbara, der einzige Nebenfluss des Nil, mündet. Derselbe kommt weit her aus den Gebirgen von Habesch und führt in der Eegenzeit hohe Wasser, versiegt aber in der trockenen Jahreszeit bis auf einige stehende Teiche, die dann von Krokodilen und Nilpferden wimmeln.
Dieser Nebenfluss, der von Südosten herzuströmt, und der von Südwesten kommende Nil bilden zusammen die sogenannte Insel Meroe. Hier bezeichnen Pyramidengruppen, erst vor wenigen Jahrzehnten von Europäern entdeckt, dio Lage der alten berühmten Priesterstadt. Sie stehen auf einem schmalen, halbmondförmigen Hügel, welcher sich etwa 50 Fuss über die Ebene erhebt und seine convexe Seite dem Nil zuwendet, während gegen Osten seine concave Curvc ein kleines Thal um- schliesst, das zwischen ihm und dem Gebirgszuge liegt. Sein Plateau ist mit einer langen Beilie von Pyramiden gekrönt, die so dicht an einander stehen, dass ihre Basen fast Zusammentreffen. Keine derselben hat noch eine Spitze und sie liegen alle mehr oder weniger in Trümmern. Die röthlichen Sandsteinblöcke, aus denen sie errichtet sind, haben eine Höhe von durchschnittlich 1 % Fuss, und das Zurücktreten der einzelnen Lagen wechselt von 2 bis 4 Zoll, so dass die Höhe des Gebäudes viel grösser ist, als die Breite der Basis. Eigenthümlich ist ferner, dass die Seiten nicht gerade, sondern krumme Linien von verschiedenen Stufen der Convexität bilden. Im Uebrigen haben sie grosse Aehnlichkeit mit denen von Napata und wie diese den Ansatz einer nach Osten gewendeten Kammer, die durch eine Pylonfront eröffnet wird und reichlich mit Hieroglyphen und auch mit einigen Sculpturen geschmückt ist. Keine von den Pyramiden kann höher als 100 Fuss gewesen sein. Die Gesammtzahl derselben betrug in der Blüthezeit Meroös 196. Jetzt beläuft sich die Zahl der theilweise erhaltenen nach Taylors Zählung auf 42, und ausserdem bemerkt man noch Spuren von 40 bis 50 anderen. Von der Stadt selbst sind nur noch Haufen von Schutt vorhanden.
Ueber Meroe hinaus sind weite Wüsten und Waldflächen, bewohnt von Elephanten, Bhinocerossen, wilden Eseln und Löwen. Noch weiter aufwärts bei Naga, tief in der Steppe liegen am Fuss. eines Hügels äthiopische Tempelruinen und sogar ein Bau im römischen Bogenstyl mit äthiopischen Motiven dazwischen.
Oberhalb bei Kartum endlich, einer neuen, erst von Meliemed Ali gegründeten Stadt, vereinigen sich der weisse und blaue Strom, um den ganzen Nil zu bilden. Er ist hier, vierhundert deutsche Meilen