206 Von Assuan bis Wadi Haifa.
stadt Napata am Berge Barkal. Dieser Berg, auf dem rechten Ufer sich erhebend, ist eine breite steile Felsenmasse, tafelförmig abgeplattet, die einsam aus der Ebene aufsteigt. An ihrem Fusse liegen reiche Tempeltrümmer und links um die Ecke mehrere Pyramiden. Letztere haben keine bedeutende Höhe, indem keine 60 Fuss misst. Sie sind aber eigenthümlich schlank und haben meist ein Vorgemach, welches gewölbt auf einer Seite hinaustritt. Es wird durch die gewohnte Pylon - form eröffnet. Dieses Vorgemach, für die Leichenfeier bestimmt, welche dem Verstorbenen geweiht wurde, ist ohne Verbindung mit dem Innern der Pyramide. Einige dieser sehr zerstörten Gemächer haben noch Spuren von Sculptur an ihren Wänden: Opfer von Thieren oder Palmenzweigen, die dem König oder dem Inhaber des Grabes dargebracht werden. Er sitzt in der Wandsculptur in ganzer Grösse auf einem Throne, der die Gestalt eines Löwen hat, und zwischen den ausgebreiteten Schwingen einer Göttin. Die Zeichnung ist die runde äthiopische. Alle Gemächer dieser Art liegen nach Osten fganz so wie die kleinen Tempel der ägyptischen Pyramiden), weil der Verstorbene selber im Westen wohnt und man beim Eintritte sich nach ihm wenden muss. Die Grabkammern selbst werden nicht sichtbar. Die Kanten der Pyramiden sind architektonisch herausgezeichnet, eine glatte Bekleidung aber ist nicht mehr zu sehen.
Es ist die Todtenstadt von Napata, dem Orte, wo jener Aethiopen- könig Tirhaka (im achten Jahrhundert vor Ohr.) residirte, derselbe, wie es scheint, der im alten Testamente als Verbündeter des Königs Hiskia gegen Sanherib von Assyrien erwähnt wird. Er hatte damals Aegypten inne, ging aber freiwillig wieder zurück und baute hier am Berge Barkal eine Stadt nach ägyptischem Muster.
Von den andern Ruinen Napatas sind zwei sehr zerfallene Tempel die wichtigsten. Der eine, welcher im Westen liegt, hat seine Felsenkammern im Berge und den Rest seiner Pfeiler und Säulenreihen davor. An den Pfeilern lehnen die sclieusslichen Figuren mit dickem Kopfe, die man gewöhnlich als Typhon bezeichnet, welche aber (wie bereits früher bemerkt) den Pthah, den Gott des Urfeuers bedeuten, der im Anfänge der Dinge war und darum selbst in unförmlicher Kindergestalt erscheint. Die Säulen tragen das Haupt der Unterweltgöttin Hathor. Im Innern, wo die vordere Felsenkammer sich gleichfalls auf zwei solche Pthahpfeiler stützt, erkennt man auf der Wand den König Tirhaka, Opfer bringend vor Amunre, dem Sonnengott von Theben.
Der grosse östliche Tempel, einer der umfassendsten von ägyptischem Styl, ist beinahe ganz zerfallen, begraben oder verschleppt. Nur eine einzige Säule mit einem Knospenknauf steht noch aufrecht und zeigt auf dem Würfel, der darauf sitzt, Tirhakas Namen. Es sind diess die ältesten äthiopischen Kunstbauten. Alles Aeltere gehört den Aegyptern an, z. B. die Reste eines Tempels, der bereits von Ramses dem Grossen hier errichtet wurde.