210 Der Suez-Kanal.
hiermit den Namen Kanal des Prinzen der Gläubigen und blieb in Thätig- keit bis zum Jahre 767, wo Khalif Mohamed-al-Momsur ihn verschütten liess, um einem gewissen Hassan, der zu Medina einen Aufstand erhoben, den Proviant abzuschneiden. Seitdem wurde der Kanal zwar oft in Anregung gebracht, aber nie wieder hergestellt. Napoleon I. griff bei seiner Expedition nach Aegypten die Idee wieder ernstlich auf und liess auch sofort Messungen vornehmen, die indess das irrige Resultat gaben, dass der Spiegel des arabischen Golfes zu Suez 9 „ Meter höher liege als das mittelländische Meer bei Pelusium. Die Wendung der politischen Verhältnisse liess es übrigens nicht einmal zum Beginn des Unternehmens kommen, und erst der modernen Kunst und Wissenschaft war es Vorbehalten, seine Ausführung zu übernehmen. Im Jahre 1859 nahm Ferdinand Lesseps im Vereine mit dem damaligen Vice-Könige Said Pascha das Project wieder auf, und zwar sollte diesmal ein directer Seekanal beide Meere mit einander verbinden. Nach mancherlei Differenzen begab sich endlich eine aus den ausgezeichnetsten Ingenieuren der europäischen Staaten gebildete internationale Commission an Ort und Stelle, welche das Kanalproject in definitiver Weise regelte. Der Bau begann und wurde nach Besiegung grosser politischer, technischer und finanzieller Schwierigkeiten so weit fortgeführt, dass die Eröffnung — wenn auch nicht die Vollendung — des Kanales bevorsteht. Die ursprünglich projectirten Kosten waren mit Ende 1808, wo sie 404.3 Millionen Francs betrugen, um mehr als das Doppelte überschritten. Nach diesen kurzen historischen Bemerkungen wollen wir das Unternehmen selbst besichtigen.
Der Durchstichdes Isthmus, der zwei Welttheile um zwei Drittel der Entfernung einander näher gebracht, hat nun gerade zehn Jahre gedauert; was sind jedoch zehn Jahre, was sind die Millionen, die er gekostet, im Vergleiche zu den Ergebnissen, welche er für den gesammten Verkehr haben wird. Wie viele Millionen und wie viele Menschenleben haben hingogen die erfolglosen blutigen Schlachten gekostet, während aus diesem friedlichen Werke der Menschheit in jeder Beziehung jetzt noch ungeahnte Vortheile erwachsen werden. Von diesem Bewusstsein sind auch alle bei dem grossartigen Unternehmen betheiligten Männer durchdrungen, indem sie mit Enthusiasmus und Eifer, gleichsam als Vorkämpfer einer Armee des Friedens und der Civilisation, der Vollbringung dieses Werkes sich gewidmet haben. Wer den Kanal befährt, wird allerdings während der Fahrt den Orient nicht kennen lernen, aber wer Kairo gesehen hat, wo der Orient der „Tausend und Einer Nacht“ verkörpert ist und dann in die nach einem Muster gebauten Städte und Ansiedlungen der Compagnie gelangt, wird von dem sich seinen Augen darbietenden Contrasto in hohem Grade überrascht sein, wenn er sich urplötzlich nach Europa versetzt sieht und hier ein völlig europäisches Leben und Treiben vor Augen hat. Die Kaufläden in Port-Said, Ismailia u. s. w. sind mit allen Waaren des Luxus reichlich versehen. Mit Ausnahme des Getreides, welches aus Aegypten oder Russland, und Fleisch, welches aus Kleinasien zugeführt wird, sind alle andern