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Aegypten : Reisehandbuch für Aegypten / von Moritz Busch
Entstehung
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Der Suez-Kanal. 211

Lebensbedürfnisse Erzeugnisse des europäischen Gewerbefleisses. Dank dem Flusswasserkanal sind übrigens am Kanal auch Gärten entstanden, welche die herrlichsten Früchte tragen, und den anmuthigsten Blumen­flor darbieten. Unter den Anwohnern des Kanals, deren Zahl sich vom Jahre 1865 bis zum Jahre 1869 von 10.500 auf 34.251, worunter 16.110 Europäer, vermehrt hat, sind alle Länderstämme vertreten; am meisten treten die kräftigen Gestalten der Montenegriner und Dalma­tiner, dann die der Griechen und endlich jene der der semitischen Race gehörenden Araber hervor.

Man muss Aegypten vor neun Jahren gesehen haben, und jetzt das Auge auf das lebendige und bewegliche Bild werfen, welches der Anblick der üppigen Vegetation, der neuen Städte und ihrer Bewohner, der überhaupt in der Wüste aus nichts hervorgegangenen Schö­pfungen gewährt, um in ihrer vollen Bedeutung die Wunder zu ermes­sen, welche sich hier verwirklicht haben. Damals zog sich meilenweit eine unfruchtbare, monoton von Sümpfen durchschnittene Ebene von Damiat bis zu den Ruinen von Pelusium hin; da war keine Spur von menschlicher Thätigkeit, kein Grashalm, kein Wassertropfen war zu sehen, und in dieser Einöde haben die ersten Arbeiter entschlossen und muthig ihre Zelte aufgeschlagen, um links und rechts Besitz von einem Boden zu nehmen, welcher der Cultur wiedergegeben werden sollte. Der grösste Feind, den sie hier zu bekämpfen hatten, war der Durst. Der Süsswasserkanal, der das alte Land Gosen bewässerte, wurde bis zum Timsahsee verlängert und dann rechts gegen das rothe Meer zu, auf einer Strecke von 89 Kilometer bis Suez hingeleitet. Links konnte wegen der Terrainschwierigkeiten von der Leitung eines Kanals vom Nil nach dem Mittelmeere nicht die Rede sein, aber man wusste durch Hebemaschinen vom Timsahsee aus, in einer Länge von 84 Kilometer, auch diesen Theil des Isthmus mit Wasser zu speisen. Als nun in dieser Weise für das Hauptbediirfniss, nämlich für Trinkwasser und dann für die Beförderung der Menschen, des Baumaterials und der Lebensmittel jeder Art gesorgt, und mithin das grösste Hinderniss über­wunden war, konnte man sich mit Zuversicht der weiteren Fortführung eines der grössten Werke unserer Zeit widmen. Der Stadt Suez, welche nun statt des gelblichen Wassers, welches aus der zwei Meilen ent­fernten, an der asiatischen Seite liegenden Mosesquelle geholt, oder auf der Eisenbahn von Kairo gebracht werden musste, stand jetzt durch den Kanal das Nilwasser zur Verfügung und es dauerte nicht lange, so verdreifachte sich die Zahl ihrer Bevölkerung. Längs der Seelinie wurden mehr oder minder bedeutende neue Ansiedlungen gegründet; im Centrum entstand die bereits mehr als 4000 Einwohner zählende Stadt Ismailia und am Mittelmeer Port-Said, die äusserste Spitze des Kanals gegen den Occident zu, sowie Suez jene gegen den Orient bildet.

Um von Kairo zum Isthmus zu gelangen, bedient man sich gegenwärtig der von dort nach Alexandria führenden Eisenbahn bis zur Station Bennali, welche durch eine Zweigbahn mit Ismailia ver­bunden ist, während man vor Vollendung dieser letzteren den Weg von