pach arbeitet noch heute mit der Ungerer’schen Gegenstrom-Kocherei, die durch Erfahrung erheblich verbessert und ergänzt wurde, so dass die Erzeugung dieser Kocher ein sehr befriedigendes Resultat namentlich hinsichtlich der Schönheit und Brauchbarkeit des Stoffes zur Papierfabrication ergab.
Im Jahre 1866 liess sich der Chemiker B. C. Tilghmann aus Philadelphia in England und Deutschland ein Verfahren zur Erzeugung von Cellulose patentiren, welches in der Hauptsache darin bestand, dass er zur Lösung der Incrusten des Holzes statt Natronlauge schweflige Säure verwendete und damit den Grund zu dem Sulfitverfahren legte, welches nach ihm, namentlich durch Professor Dr. Alexander Mitscherlich, grosse Verbesserungen und Erweiterungen erfuhr. Unabhängig von Tilghmann gelangte nämlich Dr. Mitscherlich, Professor an der Forstakademie in Münden, im Jahre 1872 durch Versuche in kleinem Maassstabe zu einem für die Zukunft der Zellstoff-Industrie höchst wichtigen Ergebnis, indem er mittelst Lösung von schwefligsaurem Kalk das Holz von den Incrusten befreite und in Cellulose zerlegte. Dieses von Tilghmann durch die besondere Art der Erzeugung des schwefligsauren Kalkes und mehrerem Anderen verschiedene Verfahren hatte nicht nur den Vortheil der verhältnismässigen Billigkeit für sich, sondern griff auch die Holzfaser weniger an, als es durch die Behandlung mit Natronlauge geschah. Die Mitscherlich-Patente aus den Jahren 1874, 1875, 1878, 1883 und die folgenden wurden später mehrfach, und zwar mit einigem Erfolge, angefochten, nichtsdestoweniger bilden dieselben aber die Grundlage des Fabricationsverfahrens der Mehrzahl der heutigen Sulfitzellstoff-Fabriken, deren erste in Oesterreich im Jahre 1881 von August Brune in Nestersitz a. d. Elbe, Böhmen, errichtet wurde.
Aus den beiden von einander wesentlich verschiedenen Verfahren zur Erzeugung des Zellstoffes aus Holz, nämlich des Natron- und Sulfitverfahrens, entstanden durch verschiedene Abänderungen und Verschmelzungen neue Kochverfahren, die nach der einen oder anderen Richtung hin Vortheile boten und Anwendung fanden. Von diesen ist hauptsächlich die Erfindung eines Oesterreichers, des ehemaligen Directors der Hector Freiherr Ritter v. Zahony’sehen Papierfabrik bei Görz, Dr. Karl Kellner, erwähnens-
werth, der im Jahre 1884 auf das nach ihm benannte Ritter-Kellner-Verfahren Patente erhielt.
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Es ist eigenthümlich, dass bedeutende 'Erfindungen zumeist durch Zufall oder doch als Neben- product von Arbeiten gemacht werden, die eine ganz amtiere Richtung verfolgen. So auch die Erfindung des Bisulfit-Verfahrens durch Dr. Kellner. Im Jahre 1872 erbaute die um diese Zeit gegründete »Cellulose- und Papierfabriks-Gesellschaft Theresienthal« (heute Ellissen, Roeder & Co.) in Kematen eine grosse Natron-Cellulosefabrik nach dem System Tessid du Motay. Nach diesem Verfahren sollte die schwarze Ablauge regenerirt werden, indem in dieselbe ein Strom von Kohlensäure eingeblasen wird, wodurch hauptsächlich Natriumbicarbonat gebildet und dadurch die in Lösung befindlichen organischen Körper des Holzes herausgefällt werden sollten. Dr. Kellner suchte nun die Kohlensäure durch eine andere stärkere Säure zu ersetzen, und da natürlich die Hauptbedingung war, dass sich die zu bildende Natriumverbindung rasch und billig wieder in Aetznatron überführen lassen muss, so fiel seine Wahl auf die schweflige Säure. Kellner liess sich von der Maschinenfabrik der Staatsbahn, Firma Hasswell, einen Bronzekocher anfertigen, mit dem er seine mühsame Arbeit begann, indem er lange Versuchsreihen durchführte, um zu constatiren, ob nicht etwa durch die Anreicherung der immer wieder gebrauchten Kochflüssigkeit mit denjenigen Körpern, welche durch SO., nicht ausfällbar sind, der Kochprocess, beziehungsweise die Färbung des Productes beeinträchtigt ist.
Eines Tages nun füllte der bei Dr. Kellner beschäftigte Laborant, welcher das Entleeren, Füllen und Zuschrauben des Versuchskochers zu besorgen hatte, den Kocher nicht mit der fertiggestellten Lauge, sondern irrthümlicherweise mit dem Zwischenproduct, dem Natriumbisulfit. Das Manometer zeigte mehr Druck als dem Thermometer entsprach ; der Laborant behauptete jedoch, das Manometer functionire ungenau, weil es gebrochen sei. Trotzdem liess Dr. Kellner den Kocher abkühlen und fand beim Oeffnen den vorgefallenen Irrthum. Das gekochte Holz war hart, aber weiss; beim Zerstampfen in einer Reib- schale zerfaserte es sich jedoch leicht. Dr. Kellner schloss daraus, dass die schweflige Säure ebenso auf- schliessend wirken könne wie eine andere Säure, dabei aber den Vorzug besitzt, mit organischen Körpern farblose Verbindungen einzugehen, wenn gleichzeitig eine Base vorhanden ist, die die Bindung dieser Körper bewerkstelligt. Zahlreiche Versuche bestätigten Dr. Kellner immer mehr den Werth dieser Entdeckung für die Zellstoff-Industrie. Nun bildete er das gefundene Verfahren immer weiter aus und construirte seine, anfangs Drehkocher, später stehenden Kocher, die in der ersten Zeit indirect, später aber durch unmittelbare Einleitung von Dampf geheizt wurden.