Der Besitzer der Cellulosefabrik in Podgora bei Görz, Baron Ritter v. Zahöny, sowie später die grosse Zellstofffabrik »Waldhof« bei Mannheim am Rhein u. A. interessirten sich für Kellners Erfindung. Namentlich Baron Eugen Ritter v. Zahöny hat redlich mitgeholfen, dem Verfahren Ritter-Kellner in der Papier-Industrie des In- und Auslandes die Wege zu ebnen. In der erwähnten Cellulosefabrik in Podgora waren Ritter-Kellner die Ersten, welche Bisulfit-Cellulose, ohne Schädigung der Vegetation der Umgebung, für die Zwecke der Papierfabrication herstellten. Zahlreiche Fabriken in Oesterreich sowie in Deutschland u. s. w. arbeiten heute nach diesem Verfahren, das eine weiche, bleichfähige Faser gibt, die zu den meisten Papiergattungen als Hadernersatz geeignet ist.
Die Zellstoff-Industrie — wie nicht minder die Textil-Industrie und die Sodafabrication — danken Dr. Kellner auch noch eine zweite Erfindung von weittragender Bedeutung: es ist dies das Bleichen der Faserstoffe auf elektrolytischem Wege, durch Zerlegung der Salzsoole in_Chlor und Natrium. Die ersten Bleichversuche machte Dr. Kellner, nachdem er durch die elektrische Ausstellung in Paris die Anregung hiezu empfangen hatte, im Jahre 1881/82 mit einem kleinen, von Siemens & Halske entliehenen Dynamo. Die letzten vervollkommneten Apparate construirte Kellner in Hallein auf seine Kosten, da die Kellner- Partington Comp. Limited schon vorher eine Vertrags-Anerkennung mit Kellner durchgeführt hatte. Dr. Kellner überliess der genannten »Kellner-Partington-Paper Pulp. Co. Lim.« in Hallein diese auf dem Gebiete der Elektrolyse vollkommenste Erfindung zur Benützung, und werden dortselbst täglich circa 25.000 Kilogramm Sulfitcellulose auf elektrolytischem Wege gebleicht. Die Vertreter des Patentes, Firma Siemens & Halske, haben die elektrolytische Bleiche nicht nur in mehreren Cellulose- und Papierfabriken des In- und Auslandes, sondern auch in die Textil-Industrie mit Erfolg eingeführt.
Holzschliff und Holzcellulose — namentlich die letztere — haben in neuester Zeit alle anderen Faserstoffe in den Hintergrund gedrängt. Besonders in Oesterreich, wo die geeignetsten Holzgattungen, in erster Linie die Fichten, in grossen Beständen Vorkommen, kann heute die Sulfitcellulose neben dem geschliffenen Holzstoff als die Basis der Papierfabrication betrachtet werden. Die Hebung und die industrielle Verwerthung der enormen Schätze, welche unsere Wälder bergen, durch die Gewinnung dieser Holzfaserstoffe, ist deshalb ein Moment von immer grösserer, nicht zu unterschätzender volkswirthschaftlicher Bedeutung geworden.
Die Umgestaltungen, welche die letzten fünfzig Jahrein der Fabricationsmethode der Papiererzeugung brachten, namentlich die Einführung der Maschinen, die Verbesserung der Hilfsapparate und die reichliche Gewinnung der Ersatzstoffe für die Hadern, gaben der österreichischen Papier-Industrie die wirksamsten Impulse zu einer schnellen und freien Entwickelung. Oesterreichs Papier-Industrie ist in dem kurzen Zeiträume von nicht ganz 50 Jahren eine der ersten Export-Industrien des Reiches geworden. Ungefähr 18 Millionen Gulden, das sind rund 25% der Gesammterzeugung an Papierfabrikaten, Halbstoffen und Papierwaaren aller Art, sendet jährlich Oesterreich in das Ausland.
Eine unausbleibliche Folge der ganz veränderten Methode in der Herstellung des Papieres auf Basis der Maschine war das Eingehen nahezu aller Papiermühlen. Der verbilligten mechanischen Massenerzeugung gegenüber vermochten sie, die noch immer das Papier aus der Bütte schöpften, nicht mehr aufzukommen. Von den 300 Büttenpapierfabriken Anfangs dieses Jahrhunderts sind nur mehr wenige als Reste eines ehrwürdigen Handwerks übrig geblieben, dessen absonderliche Formen zum Theile noch bis in unsere Zeit hineinragten. Die in Oesterreich derzeit in Böhmen, Mähren und Südtirol bestehenden 22 Büttenpapierfabriken verfertigen mit circa 500 Pferde-Wasserkraft 20.000 Metercentner handgeschöpftes Papier und luftgetrocknete Hadernpappen, zumeist Specialitäten, die als solche noch gesucht und entsprechend bezahlt werden. Viele dieser echten Werkstätten eines uralten Handwerks haben ein hohes Alter und geht ihre Geschichte oft bis in das Mittelalter zurück, wie zum Beispiel jene der von der gräflich Zierotin’schen Herrschaft gegründeten Papiermühle in Gross-Ullersdorf in Mähren. Die ältesten Zeugen von dem Bestehen dieser Mühlen sind Urkunden aus dem Jahre 1520, die auf Papier geschrieben sind, welche den Wasserdruck »Ullersdorf« neben dem gräflich Zierotin’schen Wappen tragen. Im Jahre 1780 gieng die Mühle in Privatbesitz, und im Jahre 1830 in das Eigenthum der Familie über, der die jetzigen Besitzer, Anton J. Schmidt’s Söhne, entstammen. Jüngeren Alters, jedoch noch immer aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammend, sind die Büttenpapierfabriken in Jägerndorf, Schlesien, in Thal bei Braunau am Inn, in Stubenbach, Böhmen, und dann die Südtiroler Mühlen in Biacesa, Mori, Predazzo, San Margherita, Tesero u. s. w.
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