Unleugbar: Kaiser Leopold I. war redlich bemüht, dasselbe Verdienst, das sich der Träger des Namens Friedland um dieses Fürstenthum erworben hatte, um seine Erbländer insgesammt beanspruchen zu können. . . . «Weichergestalten wir von Zeit unserer angetretenen Regierung uns nichts mehrers und eifrigers angelegen sein lassen, als dass die allgemeine Wohlfahrt und Aufnehmen unserer Königreiche, Lande und Leute befördert, sonderlich aber solche jederzeit in gutem Wohlstand erhalten und zu Aufnehmung derenselben einige Manufacturen introducirt werden mögen: wie dann bei deren Einführung viel tausend Menschen ihre ehrliche Nahrung überkommen, die rohe Waare im Lande erhalten, solche von denen Unterthanen verarbeitet, die Leute von dem Müssiggang abgehalten und zu ehrlicher Unterhaltung gebracht, mithin durch selbe die auftragende Contribution leichtlich gereicht, auch das sonst hievor hinausgeschickte Geld im Land verbleiben und solches sehr populos und nahrhaft gemacht werden möge.»*) So declarirte Leopold in einem Ausschreiben am Ende seiner langjährigen Regierung; er durfte so sprechen.

Bereits ein kaiserliches Patent vom i. Mai 1660 legfte die volkswirtschaftlichen Inten- tionen des Monarchen in unzweideutiger Weise dar. Bei deren Durchführung standen ihm Männer wie Johann Joachim Becher und Philipp Wilhelm von Hörnigk treulich zur Seite. Am 22. Februar 1666 genehmigte Leopold das von Jenem ausgearbeitete Project eines neu zu schaffenden «Commercien-Collegiums» zur «Einführung der Manufacturen und Ver­mehrung der Commerden.» * 2 ) Die «vornehmste Verrichtung» der Mitglieder dieses Collegiums sollte sein, «dass sie sich des Zustandes und der Beschaffenheit Handels und Wandels roher Waaren und Manufacturen, so hinein als hinaus gehend, in den kaiserlichen Erblanden er­kundigen, die Ursachen deren Auf- und Abnehmen gründlich erforschen, den Lauf und Ver­änderung des Preises und der Consumtion der Güter aufmerken und auf alle und jede so in- als ausländische Handels- und Handwerksleute der Compagnien und Zünfte ein wachendes Auge haben und inquiriren, damit die schädlichen Monopolia, Polypolia und Propolia ab­geschafft und die Commerden Land und Leuten zum Besten in besseren Stand und Flor ge­setzt und darin erhalten werden.»

Dieselbe Aufgabe war bereits vierzig Jahre früher einem in Frankreich creirten «Conseil de commerce» gestellt worden, dessen Einrichtung ohne Zweifel Becher als Muster vorge­schwebt hatte. Der eminent praktische Werth dieser Institution aber bestand darin, dass sie keineswegs nur aus Beamten, sondern vielmehr hauptsächlich aus Vertretern des Gewerbe- und Handelsstandes zusammengesetzt war. Als erster Präsident des Commercien-Collegiums fungirte der Hofkammerpräsident Georg Ludwig Graf Sinzendorf.

Man schritt sofort zur Verwirklichung des Programmes. Nur wurde dabei leider zu ein­seitig verfahren. Sinzendorf misbrauchte seine Stellung, um als selbstthätiger Industrieller auf Staatskosten Geschäfte zu treiben. Er gründete mit Hilfe eines kaiserlichen Privilegiums eine «Seiden-Compagnie» zur Einführung der Seidenmanufactur und errichtete thatsächlich auf seinen Herrschaften in Niederösterreich zu Walpersdorf und Trais mau er Seidenfabriken, in welchen «allerhand seidene Strümpfe und anderes Gestrickwerk» erzeugt werden sollten. Beide Unternehmungen waren von kurzer Lebensdauer und giengen wieder ein.

Dr. Becher aber war unerschöpflich in neuen Vorschlägen. Im Jahre 1668 erschien aus seiner fruchtbaren Feder eine ausführliche nationalökonomische Denkschrift: «Politischer Diseurs von den eigentlichen Ursachen des Auf- und Abnehmens der Städte, Länder und

*) Codex Austriacus, I (Wien 1704), 271.

2 ) Dr. Franz Martin Mayer, Die Anfänge des Handels und der Industrie in Oesterreich (Innsbruck 1882).

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