Durch den Abt Benedict Li t wer ich entstand (1691) in Ossegg die erste Wollen­zeugfabrik in Böhmen, die noch heute besteht. Durch denselben Priester wurde in der Gegend von Ossegg, Dux, Oberleutensdorf u. s. w. die Strumpfwirkerei eingeführt, die nach kurzer Zeit auch in Kaninitz und Bensen heimisch wurde. In Bensen aber gründete die Familie Ossendorf eine der nachmals renommirtesten Papiermühlen, nachdem Christof Weiss (1667) eine Fabrik dieser Art in Hohenelbe angelegt hatte. Eine von Leopold I. für Neuhaus in Niederösterreich privilegirte venetianische Spiegelfabrik trat erst nach seinem Tode ins Leben. In Schlesien aber, dem alten Sitze des Leinenhandels, insbesondere von J au er und Greiffenberg aus, entwickelte sich zu seiner Zeit bereits ein umfangreicher Veredlungsverkehr mit Böhmen und der Lausitz, von wo die rohen Leinen zollfrei ein­geführt wurden, um nach vollendeter Appretur in den schlesischen Bleichen und Färbereien ebenso frei wieder ausgeführt zu werden. Die Anlage des «Neuen Grabens», des später so­genannten Friedrich Wilhelm-Canals (1668), hatte den grössten Vortheil für den schlesischen Handelsverkehr mit Hamburg und von dort mit Holland, England, Spanien und Portugal. Man rühmt in Schlesien noch jetzt gebührend die «sehr verdienstliche wirthschaftspolitische Thätigkeit» Kaiser Leopolds I. und seines Rathes J. J. Becher. 1 )

Ein grosses Hindernis stand der rascheren Entwicklung dieser vielverheissenden An­fänge allerorten entgegen: die Erbsünde der Gegenreformation, die von der hartnäckig fest­gehaltenen religiösen Unduldsamkeit der leitenden Kreise untrennbare geistige Absperrung Oesterreichs vom «unkatholischen» Ausland.

er langwierige spanische Erbfolgekrieg und die gleichzeitigen kriegerischen Unruhen in Ungarn unterbrachen nach Leopolds Tode neuerdings das Wachsthum der sich regenden wirthschaftlichen Keime empfindlichst. Handel und Wandel lagen wieder gänzlich darnieder. Von allen Unternehmungen Wiens, wird versichert, hatte damals keine auch nur annähernd einen so lebhaften Zuspruch aufzuweisen wie das dort im Jahre 1707 errichtete kaiserliche Versatzamt.

Den groben Misbräuchen, die in allen Zünften und Zechen der Handwerker eingerissen waren, einen Dämpfer aufzusetzen, wurde für sämmtliche Erbländer die beachtenswerthe Ver­fügung getroffen (1. October 1708), dass künftighin dem Regenten allein das Recht zustehen solle, Zechen und Zünfte einzuführen, ihnen Privilegien zu verleihen u. s. w. Die Zahl der Zünfte sollte von nun an nicht vermehrt werden. Von eigentlichen Fabriken entstand in Wien im Laufe zweier Jahrzehnte nur eine solche zur Erzeugung von Oel aus Trauben­kernen (1709). Dagegen gründete Johann B. Fremmrich, einer der tüchtigsten Wollindu- striellen seiner Zeit, 1710 mit Hilfe des Grafen Adolf Bernhard Martinitz im Städtchen Planitz in Böhmen eine grössere, besteingerichtete Tuchfabrik, die erste im Lande. Ihr folgte durch denselben Unternehmer ein gleiches Etablissement in Leipa, schon 1715 aber ein solches zu Oberleutensdorf, welches, von dem Grafen Johann Joseph Wald st ein materiell genügend ausgestattet, sich durch Menschenalter einen namhaften Ruf zu erhalten wusste. Eine von der Kärntner Landschaft in Klagenfurt etablirte Tuchfabrik musste nach kurzem Bestände wieder aufgelassen werden.

p A. Zimmermann, a. a. O., 12 f. Vgl. Hermann Fechner, Die handelspolitischen Beziehungen Preussens zu Oesterreich (Berlin 1886), S. 3 f.