Bei aller Bedeutung des Buches selbst erscheint aber an ihm wohl am bedeutsamsten für uns eine Bezeichnung, die im gleichen Sinne bis dahin nie und nirgends gebraucht worden war die Bezeichnung «Oesterreichs» als eines Staatsganzen. «Durch vorangesetztes mein Oesterreich,» erklärte Hörnigk, 1 ) «verstehe ich nicht blosser Dinge das weltbelobte, zu beiden Seiten des Donaustromes erstreckte Erzherzogthum dieses Namens, sondern anbei alle und jede des deutschen österreichischen Erzhauses, es sei in- oder ausserhalb des Römischen Reiches gelegenen Erbkönigreiche und Länder, demnach Ungarn mit darunter begriffen.» In dem Augenblicke, in dem man daran gieng, das industrielle Leben in den habsburgischen Ländern zu wecken, sie durch Industrie und Handel mächtig und nach dem Beispiele Frankreichs zu einem Einheitsstaate zu machen, fasste die Publicistik diese Länder auch schon zu einem Ganzen zusammen, «gleichsam wie ein einiger natürlicher Leib» nur einem einzigen Oberhaupte unterthan. . . . 2 ) Gesammt-Oesterreich erhielt seine Taufe von dem industriellen Gedanken; er gab ihm den Namen.

Hörnigk, ein Schwager Bechers, war aus dessen Schule hervorgegangen. Er predigte den nackten Mercantilismus wie dieser. Seine «Grundregeln einer allgemeinen Landes- Oekonomie» boten an sich nichts Neues. Mit solchem Freimuth und Wohlwollen zugleich hatte aber noch Keiner die staatswirthschaftlichen Zustände Oesterreichs dargelegt, in solcher Bündigkeit und Klarheit noch Keiner die geheischten Verbesserungsmittel auseinandergesetzt. Den Kern seines industriellen Schutzsystems fasst er in die Worte zusammen: «. . . Denn besser wäre, es komme auch einem Uebelberichteten so seltsam vor, als es wolle, für eine Waare zwei Thaler geben, die im Lande bleiben, als nur einen, der aber hinausgeht.»

Von allen Zeitgenossen wird bezeugt, dass Hörnigks Buch auf die nun folgenden Ent- schliessungen Leopolds I. von massgebendem Einflüsse wurde. Die Zahl kaiserlicher Ver­ordnungen gewerbe- und handelspolitischer Natur, aller im Geiste Hörnigks, wuchs von Jahr zu Jahr. Ebenso aber stieg gegen Ausgang des Jahrhunderts die Zahl der «Niederlags-Ver­wandten» und der «hofbefreiten Handelsleute» namentlich in Wien und mit der Zahl auch deren Ansehen und Bedeutung, dass dort bald wieder von einer gewissen Wohlhabenheit ge­sprochen werden konnte.

Die Einsetzung von «Cameral-Deputationen» nach dem Muster des seither aufgelösten Commerden-Collegiums trug auch in den Provinzen, obschon nur vorübergehend, zu einem mässigen industriellen und mercantilen Aufschwünge bei; so in Böhmen. Mähren, Schlesien, Oberösterreich und Steiermark. Gegen den Willen Hörnigks fand unter seinen Augen die Verarbeitung der Baumwolle, die nach seinen Worten «nun so viel Wesens in Europa macht», immer mehr Ausbreitung, zunächst in den böhmischen Leinenbezirken, im Riesen­gebirge, bald aber auch auf dem flachen Lande. In aller Stille vollzog sich im böhmischen Niederlande (in Kreibitz, Blottendorf, Steinschönau u. s. w.) durch den Zusammen­schluss der dortigen Glasarbeiter in «Compagnien» und sonstige Vereinigungen eine Reform des Glashandels, dass sich derselbe über Norddeutschland, Polen und Russland, ebenso aber auch nach Holland, Italien, Ungarn und Siebenbürgen ausdehnte. 3 )

p «Oesterreich über Alles, wann es nur will; Das ist: Wohlmeynender Fürschlag, Wie mittelst einer wolbestellten Landes-Oeconomie die Kayserl. Königl. Erb-Lande in kurzem über alle andere Staaten von Europa zu erheben, und mehr als einiger derselben von denen andern independent zu machen. Durch einen Liebhaber der Kayserlichen Erbland Wohlfahrt. Gedruckt im Jahr Christi 1685», S. 2.

2 ) F. M. Mayer, a. a. O., S. 16.

3 ) Dr. Edmund Schebek, Böhmens Glasindustrie und Glashandel. Quellen zu ihrer Geschichte (Prag 1878).

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