klärt, in welchen fremde Kaufleute die Waaren, die in den Erbländern bisher nur aus zweiter oder dritter Hand zu kaufen waren, aus erster Hand erwerben konnten. Allen Kaufleuten solle gestattet sein, in diesen Häfen ein- und auszulaufen, zu kaufen und zu verkaufen, wo­gegen sie nur von den thatsächlich veräusserten Waaren ein halbes Procent Consulats- und Admiralitätsgebühr zu entrichten hätten; sie dürfen Grundstücke erwerben, Häuser errichten und geniessen volle Real- und Personalfreiheit. Die Errichtung von Contumazanstalten, Ma­gazinen, Banken und Wechselgerichten wurde in Aussicht gestellt. 1 ) Ein reges Leben er­wachte in den neuen Emporien, das die frühere Alleinbeherrscherin der Adria, Venedig, mit scheelen Blicken verfolgte. Es gewann allen Anschein, als sollten Triest und Fiume die beiden Brennpunkte der commerziellen Zukunft Oesterreichs werden ohne die Centrale Wien zu schädigen; im Gegentheil.

Für das Centrum wurde zugleich gesorgt durch Gründung der kaiserlich privilegirten Orientalischen Compagnie in Wien, einer für jene Zeit zweifellos grossartigen Gesell­schaft, die mit Patent vom 27. Mai 1719 die Allerhöchste Genehmigung erlangte. Sie sollte vorerst zu Land mit allen Kaufmannsgütern, ausgenommen Contrebande, auf der Donau aber ausschliesslich «privatim» nach der Türkei und von dorther Handel treiben dürfen, doch nur «all ingrosso», während andere Unterthanen Waaren aus den Niederlagen der Compagnie um baares Geld beziehen können. Die Gesellschaft darf in Wien, Belgrad oder wo immer sie es für gut findet, Niederlagen, Magazine, Packhäuser und Krahne errichten und auf den Flüssen Marktschiffe halten, die jedoch auch andere Private gegen Entgelt benützen dürfen. Sie geniesst das Recht des Verkaufes und hat das alleinige Privilegium, neue, in den kaiser­lichen Ländern noch nicht bestehende Manufacturen und Fabriken aufzurichten, die darin er­zeugten Waaren zu verschleissen u. s. w. Der Kaiser selbst erklärt sich als den «supremus protector» der Gesellschaft und verspricht, deren Privilegien allerorten Respect zu verschaffen und dieselben bei ihrer Prosperität noch zu vermehren. Unterm 29. December 1719 sanctio- nirte Karl VI. die innere Organisation der Compagnie. 2 )

Dabei liess es der Kaiser nicht bewenden. Ein Privilegium genügte nicht; es zu ver- werthen, mussten dem Privilegirten buchstäblich erst «die Wege geebnet» werden. Die Com- municationen, vorzüglich aber die Strassen, Hessen in Oesterreich noch unendlich viel, ja Alles zu wünschen übrig. Mit Triest und Fiume bestand für Wien so viel wie keine gang­bare und gefahrlose Verbindung. Karl VI. baute neue Strassen über den Semmering, den Loibl und andere bisher unwegsame Gebirge, so insbesondere die grosse «Karoliner­strasse». Den Verkehr mit Ungarn von der See aus zu heben, legte er den Hafen Por- tore an, womit er auch politische Absichten zu erreichen hoffte. 3 )

Daher gehört auch die vielfach hocherspriessliche Thätigkeit Karls VI. auf dem Gebiete des Mauth- und Zollwesens, auf dem bislang ein völliges Chaos geherrscht hatte. Auf den Rheden von Triest und Fiume wurde der Bau von Handelsschiffen, in Portorö sogar der von Kriegsschiffen eifrig betrieben. Schon 1719 eröffnete die Orientalische Compagnie zwei Magazine für «deutsche Waaren», in Constantinopel und Belgrad. Gleichzeitig wurde das erste Schiff, das die Gesellschaft auf eigene Rechnung baute «II Primogenito» vom Stapel gelassen. Mit diesem und drei anderen Schiffen begann sie 1720 ihre Handelsthätigkeit zur See, nachdem sie in Fiume, Triest und Messina Comptoirs angelegt hatte. Der Levante-

J ) Ernst Becher, a. a. O., S. 45 f.

2 ) F. M. Mayer, a. a. O., S. 36 f.

3 ) J. M. Schweighofer, Abhandlung von dem Commerz der österreichischen Staaten (Wien 1785), S. 3o6.

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