wirklicht, dessen Resultate aber die zwischenliegende Zeit beinahe gänzlich wieder aufgehoben hatte: die Verfolgung einer Colonialpolitik. Ein Holländer, mit Namen Wilhelm Bolts, früher in Diensten der Britisch-ostindischen Compagnie, wandte sich an die österreichische Re­gierung mit dem Vorschläge zu einer directen Handelsverbindung der Niederlande damals bekanntlich eines österreichischen Besitzthums und Triests mit Persien, Ostindien, China und Afrika, «um die österreichischen Häfen ohne die kostspielige Vermittlung anderer Länder mit den wichtigsten Producten Indiens und Chinas zu versehen.» Er fand Gehör.

Seine Schicksale wurden erst jüngst wieder erzählt. 1 ) Commodore Freiherr von Wüller- storf, der Sachkundigsten einer, sprach von Bolts und «seinen gehaltvollen Projecten», die nichts weniger als die thatsächliche und dauernde Erwerbung grösserer Niederlassungen sowohl in Ostasien als auch in Ostafrika bezweckten, mit höchster Anerkennung. 2 )

Maria Theresia ertheilte Bolts am 5. Juni 1775 ein Privilegium zur Gründung einer öster­reichisch-asiatischen Handelsgesellschaft, die mit Hilfe des Antwerpener Bankhauses Proli zu Stande kam. Die ungünstigen Berichte, welche die Kaiserin eben damals von competen- tester Seite über den Stand der Dinge im Küstenlande empfing, konnten sie nur bestärken, der neuen Gesellschaft jeden zulässigen Vorschub zu leisten. Damit stand die Wahl des Grafen Carl Zinzendorf zum Gouverneur von Triest (1776) im Zusammenhänge.

Auf dem Handelsschiffe «Joseph und Theresia» trat Bolts mit 155 Mann an Bord im September 1776 seine Reise in Livorno an. Die grössten Gefahren, ja selbst die widrigsten Unfälle, die ihn trafen, hinderten nicht, dass er sein Vornehmen mit Erfolg zu Ende führte. In der Bucht von Delagoa sowohl, als auch an der Küste von Malabar, endlich aber auch auf den Ni ko baren erwarb er ausgedehnten Grundbesitz für Oesterreich, zu dessen Schutze er nicht nur Handels- und Freundschaftsverträge schloss, sondern auch starke Befestigungen anlegte. Im Juli 1779 traf ein von Bolts entsendetes Schiff, aus China kommend, in Livorno ein. Persönlich verfügte sich Grossherzog Leopold in den Hafen und besichtigte die sehr reiche Ladung, die aus Thee, Specereien, Seide und prächtigen Stoffen bestand. Im Mai 1781 kehrte Bolts in Person nach Livorno zurück. Da hatte Kaiserin Maria Theresia, die Patronin Bolts, die Augen für immer geschlossen.

* *

in ehrenvolles und gerechtes Urtheil lautet: «Kein österreichischer Regent hat sich um die Entwicklung der Industrie solch grosse Verdienste erworben wie Maria Theresia;» keiner, so dürfen wir für die Zeit, von der hier gehandelt wird, sagen, nur Kaiser Joseph II. steht ihr in dieser Hinsicht zur Seite.

Es fehlt der Raum, das im Einzelnen nachzuweisen; wenige Proben müssen genügen. Trotz einer überreichen Literatur über Joseph II. hat dieser Monarch seinen Geschichtschreiber bisher leider nicht gefunden, am allerwenigsten als praktischer Volkswirth. Bereits seit 1765, nach dem Tode seines Vaters Franz I., deutscher Kaiser, übte er als Mitregent Maria Theresias einen wesentlichen, zum Theil entscheidenden Einfluss auf die Verwaltung auch der österreichi-

*) «Neue Freie Presse» vom 17. März 1898, Nr. 12050. Die dortigen Mittheilungen stützen sich unter Anderem auf Alfred R. v. Arneth, Geschichte Maria Theresias IX (Wien 1879), S. 469 f. und 481 f.; namentlich aber Dr. Karl v. Scherzer, Reise der österreichischen Fregatte «Novara». Statistisch-commerzieller Theil I. (Wien 1864), 4 0 , S. 298305 und Anhang, S. 320.

2 ) Vermischte Schriften des k. k. Viceadmirals Bernhard Freiherrn v. Wüllerstorf-Urbair, herausgegeben von seiner Witwe (Graz 1889), S. 286.