reien in Vorarlberg anfertigen; doch erst im Jahre 1773 führten Adam Ulm er, Dominik Ruf, Josef Winder u. A. m. in Dornbirn und Umgebung die Baumwollspinnerei ein, und zwar in der Weise, dass sie von Schweizer Baumwollhändlern oder Fabrikanten die rohe Baum­wolle bezogen und das erzeugte Handgespinnst gegen vereinbarten Spinnlohn wieder ablieferten. Nach wenigen Jahren war man so weit, Webwaaren aus eigenem Gespinnste im Lande auf­zuweisen; bald etablirten sich daselbst auch selbstständige Appreturen. Noch vor Ausgang des Jahrhunderts aber begründete Samuel Vogel aus Mülhausen in Mittelweierberg bei Hard durch Anlegung einer grossen Kattunfabrik die heutige industrielle Bedeutung Vorarlbergs. 1 )

Die epochale «Allgemeine Schulordnung», mit welcher Maria Theresia am 6. De- cember 1774 hervortrat, bedarf hier keiner besonderen Würdigung. «Der Industrie muss un­streitig ein verhältnismässiges Licht vorangehen.» Es wurde noch kein wahreres Wort gesprochen. Wie eine Fackel leuchtete die neue Schulordnung in die entlegensten, dunkelsten Winkel des Reiches. Der Mann der Durchführung aber, den die Kaiserin auch hier zu finden wusste, Ferdinand Kindermann, der nachmalige Bischof «von Schulstein», setzte Alles daran, die Neuschule sofort auch dem neuen Zuge der Zeit sorgfältig anzupassen durch Verbindung der Volksschule mit der «Industrieschule.» In Böhmen allein zählte man schon im Jahre 1777 an mehr als fünfhundert Orten nach der neuen Lehrmethode für die «Industrieschule» vorgebildete Schulmänner ausser den Spinn- und Webeschulen im engeren Sinne ins­besondere wieder im Norden des Landes. Sie wirkten durch Jahrzehnte in rühriger, auf­opfernder Weise und verbreiteten im Volke eine wohlbewusste, werkthätige Liebe zur Arbeit.

Die Zollordnung vom 15. Juli 1775 hob endlich die Zollgrenzen der einzelnen König­reiche und Länder Oesterreichs für immer auf und vereinigte dieselben in ein einziges Zoll­gebiet: unzweifelhaft die grösste wirthschaftliche That Maria Theresias 2 ) nur vergleichbar mit der soeben erwähnten erziehlichen Grossthat. Ein Heer von Beschränkungen und Belästi­gungen des Verkehres war wie mit einem Zauberworte von der Industrie hinweggenommen; sie athmete auf. Nun erst konnte in Wirklichkeit nicht mehr von böhmischer, mährischer und sonstiger Provinzial-Industrie, wohl aber von einer Gesammt-Industrie Oesterreichs die Rede sein.

Und sofort Hess die freie Bewegung in den erweiterten Grenzen die Blicke auch noch weiter schweifen. Niemals hatte Maria Theresia während ihrer ganzen Regierungszeit auch nur einen Augenblick des Seehandels und der Seehäfen Triest und Fiume vergessen. Der Be­stätigung der Stadtprivilegien beider Orte war die des Freihafenprivilegiums (1769) gefolgt. Zur Hebung der Industrie und Bodencultur im Litorale erflossen zahlreiche Verfügungen. Die Errichtung einer Assecuranzgesellschaft und einer Börse, einer Leihbank, die Erlassung einer Wechselordnung, die Vermehrung der Handelsflotte, das Navigationsedict vom 25. April 1774 die erste, partielle Codificirung des geltenden Seerechtes u. s. w., das Alles hätte ge­nügen können, Triest seiner Bestimmung, sich zu einer See- und Handelsstadt ersten Ranges aufzuschwingen, immer näher zu führen. 3 )

Es konnte der Monarchin, die solche Ziele im Auge hatte, nicht unsympathisch sein, als eben in dem Jahre 1774 von London aus an sie das Ansinnen gestellt wurde, einen Ge­danken aufzunehmen, den wenig mehr als fünfzig Jahre vorher Kaiser Karl VI. bereits ver-

9 Karl Ganahl, Beiträge zur Geschichte der Entwicklung der Baumwollindustrie in Vorarlberg (Feld­kirch 1873).

2 ) Ausführliches hierüber bei Adolf Beer, Die Zollpolitik und die Schaffung eines einheitlichen Zollgebietes unter Maria Theresia (Innsbruck i 8 g 3 ).

3 ) N. Ebner von Ebenthall, a. a. O., S. n £, 23 f., 43 u. s. w.

3 4