wären etwa sechs nebeneinander laufende Güterzüge derselben Länge erforderlich. Diese vier- reihigen langen Wagencolonnen, wozu nebenbei bemerkt der ganze Wagenpark der öster­reichischen Staats- und Privatbahnen nicht ausreichen würde, enthalten eingeführte ausländische Güter im Werthe von 706 Millionen, die sechsreihigen Waggoncolonnen einheimische, zum Export bestimmte Güter im Werthe von 774 Millionen Gulden, wovon erstere Ziffer ungefähr den österreichischen Staatseinnahmen gleichkommt, letztere aber sie sogar übersteigt.

Würde man den sechsreihigen Exportzug abschreiten, dann würde man bemerken, dass auf fünf Wagenreihen Rohstoffe, namentlich Kohle, Elolz und Getreide verladen und nur in einer ganz geringen Zahl von Wagen der sechsten Reihe Fabrikate enthalten sind. Kaum der zehnte Theil der Frachtwagen dient der Fabrikatenausfuhr; aber dieser kleine Theil des Güterzuges ist ebensoviel werth als sein übergrosser Rest. Denn er enthält zum Unterschiede von den Naturproducten die verarbeiteten Stoffe, hochwerthige Fertigerzeugnisse der Industrie.

Es ist also ein sehr bedeutendes Interesse, welches die Monarchie an den Aussenhandel knüpft. Durch was der Aussenhandel bedingt ist, dass er nicht nur nothwendig, sondern vortheilhaft ist, das wollen wir als selbstverständlich hier nicht näher ausführen. Was seinen Inhalt anbelangt, so ist derselbe bedingt durch die geographische Lage, das Klima, die Frucht­barkeit und den Reichthum des Bodens, den Stand der Industrie, der Entwicklung des Ver­kehrswesens, den Wettbewerb der Nationen, den Weltmarktpreis und die Intelligenz und Tüchtigkeit des Volkes. Bei der heutigen Arbeitstheilung in der Weltwirthschaft ist aber dieser Inhalt für jedes Land ein anderer, ein verschiedener.

Doch zerfällt aller Aussenhandel, den wir im weitesten Sinne des Wortes als die Uebertragung von Gütern (materieller und immaterieller Natur) von Staat zu Staat bezeichnen können, in gewisse grosse Gruppen. Gegenstand des Verkehres können nämlich nicht nur materielle Güter, wie Waaren, Edelmetalle und Werthpapiere, sondern auch immaterielle Güter, wie Arbeitsleistungen,' Rechte und selbst der Mensch sein. Und nicht immer hat die Güter­übertragung den Charakter des Gebens und Nehmens, also den Charakter des eigentlichen Tausches, des Handels. Schenkungen, Beute, Kriegsentschädigungen, Auswanderungen, Koloni­sationen und Anderes haben nicht diesen Charakter und gehören unter die Beispiele für ein­seitige Güterübertragung.

Im Folgenden soll nur von der Uebertragung materieller Güter, vornehmlich der Waaren und der Edelmetalle gesprochen werden, dem Aussenhandel im engeren Sinne des Wortes. Dieser aber gliedert sich wieder in einen sogenannten allgemeinen Handel (Generalhandel) und den Verbrauchshandel (Specialhandel). Letzterer umfasst den Bezug und Absatz oder die Einfuhr und Ausfuhr zum Verbrauche im betreffenden Lande. Zum Specialhandel tritt er­gänzend der Durchfuhrhandel und der Vormerkverkehr hinzu. Und nach diesen drei grossen Gruppen des Aussenhandels soll nicht nur der gegenwärtige Stand, sondern auch, soweit eine Vergleichung möglich ist, die allmälige Entwicklung verfolgt werden. Von besonderer Wichtigkeit wäre es allerdings, die Einflüsse festzustellen, welche gewisse Thatsachen auf die Entwicklung unseres Aussenhandels genommen haben. Eine erschöpfende Darstellung würde jedoch über den uns gestellten Rahmen weit hinausgehen, und deshalb werden wir uns darauf beschränken, gelegentlich zu zeigen, welch starken Einfluss Zollgebietsänderungen, Zoll- und Handelspolitik, Steuer- und Socialpolitik, Kriege, Ernten und wirthschaftliche Krisen auf die Gestaltung unseres Aussenhandels genommen haben.

64