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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Erster Band
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Der vom Südrande des Sees sich ausbreitende, von Wasserläufen durchzogene Landstrich des mittleren und südlichen Böhmens war von Wäldern bedeckt, und es ist wohl anzunehmen, dass die Vege­tation des ganzen Landes ihre Beiträge durch das Wasser als Transportmittel zur Bildung der mächtigen Braunkohlenablagerung am Fusse des Erzgebirges geliefert hat. Der Elbedurchbruch durch das sächsisch­böhmische Quadersandsteingebirge hatte sich noch nicht vollständig vollzogen, das Gestein war noch nicht bis zur jetzigen Flusstiefe durchbrochen, sondern bildete ein Ueberfallwehr als Abfluss des Sees, in dessen ruhigem Wasser die allmälige Ablagerung der Pflanzenreste stattfand. Gleichzeitig und in den folgenden geologischen Zeiten hat sich die Erdsenkung am Südabhange des Erzgebirges, die Bildung der den Geologen bekannten grossen Bruchspalte längs desselben fortgesetzt, und die in der Bildung begriffenen Kohlenflötze sanken in grössere Tiefen. Die Braunkohlen des nordwestlichen Böhmens ge­hören der Süsswassermolasse tertiären Alters, der Miocänformation an.

Das nordwestböhmische Braunkohlenbecken, die gegenwärtig bedeutendste Kohlenproductionsstätte Oesterreich-Ungarns, erstreckt sich in wechselnder Breite von 210 km längs des Südabhanges des Erz­gebirges von Aussig bis Eger.

Die Nordgrenze der Formation, welcher die böhmische Braunkohle eingelagert ist, wird scharf gezogen durch die enggeschlossene, wenig gegliederte Kette des in der Hauptsache aus Gneis be­stehenden Erzgebirges. Die Begrenzung im Süden wird vorherrschend gebildet durch das aus eruptiven Massen von Basalt, Phonolith und deren Tuffen bestehende böhmische Mittelgebirge. Die eruptiven Massen haben das Braunkohlenbecken an vielen Stellen eingeengt, auch durchbrochen und auf eine grosse Strecke von Klösterle bis Karlsbad ganz unterbrochen. Durch diese Unterbrechung zerfällt die Ablagerung in zwei grosse Theile: in das Aussig-Komotauer und das Elbogen-Falkenauer Becken.

Das Aussig-Komotauer Becken ist das weitaus bedeutendere, sowohl in Bezug auf den vorhandenen Kohlenreichthum, als auch in Bezug auf die Kohlenproduction. Auch in der Art, Anzahl und Mächtigkeit der Kohlenflötze bestehen zwischen diesen beiden Becken wesentliche Unterschiede. Während im Aussig- Komotauer Becken in der Hauptsache nur ein Flötz von bis zu 3om Mächtigkeit in meist sehr regel­mässiger Ablagerung vorhanden ist, sind im Elbogen-Falkenauer Becken zumeist drei Flötze vorhanden, die in ihrer Ablagerung jedoch grosse Störungen aufweisen.

Die Anfänge des böhmischen Braunkohlenbergbaues finden sich im 16. Jahrhundert in der Mit­theilung, dass Einwohner von Komotau die von den Flötzausbissen erzeugte Kohle für eine Alaunhütte benützten. Die von Kaiser Ferdinand I. am 1. August 1550 dem Joachimsthaler Hauptmanne Bohuslav Felix von Lobkowitz und Hassenstein auf Litzka und seinen Gewerken ertheilte Bergfreiheit für die Steinkohlenwerke im Saazer, Leitmeritzer und Schlaner Kreise weist darauf hin, dass schon damals die Braunkohlen Nordböhmens bekannt waren. Im 17. Jahrhundert soll einem gewissen Franz Weidlich, Bürger in Brüx, ein Privilegium zur Gewinnung von Kohle gegeben worden sein. Der eigentliche Berg­baubetrieb auf Braunkohle scheint jedoch erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts aufgenommen worden zu sein. In den gräflich Westphälischen Gruben zu Arbesau und Hottowitz wurde im Jahre 1740, in einem Tagbaue nächst Aussig im Jahre 1760 Kohle gewonnen.

Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden die gräflich Nostitzsehen Werke bei Türmitz in Betrieb gesetzt, und um dieselbe Zeit wurden die gräflich Wolkensteinschen Gruben bei Komotau und die der Duxer Stadtgemeinde bei Dux aufgeschlossen. Diese ersten Anfänge waren entweder Tagbaue oder Haspelschächte. Die maschinelle Förderung und Wasserhebung ist erst seit verhältnismässig kurzer Zeit in Gebrauch. Im Jahre 1856 wurde die erste Fördermaschine des böhmischen Braunkohlenbeckens auf dem gräflich Nostitzschen Arnold-Schachte bei Türmitz in Betrieb genommen.

Von einem wirklichen Aufschwung der Braunkohlen-Industrie konnte jedoch erst dann geredet werden, als die Versendung der Kohlen in grösseren Mengen auf weitere Entfernungen ermöglicht, als eine Bahnverbindung hergestellt worden war. Es erfolgte dies im Jahre 1858 mit der Eröffnung der Aussig-Teplitzer Eisenbahn.

Von diesem Zeitpunkte ab hat sich die Leistungsfähigkeit des Beckens unablässig gesteigert, das Absatzgebiet für die Braunkohle immer mehr erweitert, so dass die Productionsziffer dermalen bereits eine nie geahnte Höhe erreicht hat.

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