Die Wohnungsverhältnisse der hiesigen Bergarbeiter in den Jahren 1848 bis 1862 sind uns im Detail nicht bekannt; gewerkschaftliche Arbeiterhäuser gab es fast keine, sondern nur Wohnhäuser für das Aufsichtspersonale; die Arbeiter wohnten zerstreut in den umliegenden Ortschaften, ebenso wie viele derselben heute noch wohnen.

Die Ostrau-Karwiner Werksbesitzer haben nicht nur allein für die theilweise Unterkunft ihrer Bergarbeiter Sorge getragen, sondern auch anderen humanitären Einrichtungen ihre Aufmerksamkeit geschenkt.

So bestanden schon in den Jahren 1872 bis 1882 im Reviere 4 Werksschulen mit 14 Classen und 990 Schülern, welche an solchen Orten eingerichtet wurden, die von Ortschaften mit bestehenden Volksschulen zu weit entfernt lagen. Seither sind noch 2 solche Werksschulen mit 4 Classen und 250 Schulkindern zugewachsen, so dass im Ganzen 6 Werksschulen mit 18 Classen und 1240 Schulkindern vorhanden sind, in welchen den Arbeiterkindern der Schulunterricht unentgeltlich ertheilt wird.

Ausser diesen Schulen bestehen noch im Reviere 5 Kindergärten, die ebenfalls von den Werks­besitzern erhalten werden. Es sei noch bemerkt, dass für alle Bergarbeiterkinder im Reviere das Schul­geld von Seite der Bergwerksbesitzer beglichen wird, was einen Betrag von 18.000 fl. pro Jahr erfordert.

Bei jeder grösseren Schachtanlage ist für Verunglückte und Erkrankte durch den Bestand von 9 Spitälern mit 83 Betten vorgesorgt; länger zu behandelnde kranke Bergarbeiter werden den grossen Spitälern in Teschen, Mähr.-Ostrau, Poln.-Ostrau und Witkowitz zugewiesen.

Die Witkowitzer Steinkohlengewerkschaft sowie jene der Kaiser Ferdinands-Nordbahn haben es sich zur Aufgabe gemacht, auch für die weitere Ausbildung der Schule entwachsener Töchter der Berg­arbeiter -zu sorgen, um dieselben zu braven Bergmannsfrauen zu erziehen, und haben zu diesem Ende eine Koch- und Haushaltungsschule mit sechsmonatlichen Cursen eingerichtet, in welcher die Zuberei­tung einfacher und guter Speisen, sowie das Brotbacken, Nähen und überhaupt über den Haushalt einer Arbeiterfamilie Unterricht ertheilt wird. Die gegenwärtige Schülerinnenzahl beträgt 25.

In ähnlicher Art hat die Witkowitzer Gewerkschaft eine Gartenbauschule errichtet, in welcher für Berg- und Hüttenarbeiter Unterricht für die intensive Bewirthschaftung kleiner Hausgärten und Gemüsebau ertheilt wird. Gegenwärtig sind 45 solch kleiner Versuchsgärten in Thätigkeit.

Von besonderer Wichtigkeit war für das Revier die im Jahre 1874 erfolgte Errichtung einer Bergschule auf gewerkschaftliche Kosten zur Heranbildung von tüchtigen Steigern und Grubenaufsichts­organen.

Diese Bergschule hat alternirend zwei Schuljahre und wird gegenwärtig von 60 Schülern besucht; Vormittags wird von drei Lehrern theoretischer Unterricht ertheilt, während Nachmittags praktische Grubenarbeit in der Grube geleistet wird.

Die Schule steht unter bergbehördlicher Aufsicht und geniesst heute eine Staatssubvention von 3 ooo fl.

Die vorgeschriebene Volksschulbildung der letzten Generation hat es mit sich gebracht, dass es unter den 70% einheimischen Bergarbeitern fast keinen Analphabeten gibt, es wird gern und viel gelesen, weshalb bei einzelnen Gruben schon in den Siebzigerjahren Bibliotheken errichtet wurden. Der Ostrauer berg- und hüttenmännische Verein gibt seit 23 Jahren einen gut redigirten bergmännischen Kalender heraus, und erscheint seit dem Jahre 1890 eine von den Grubenbesitzern subventionirte Arbeiterzeit­schrift gemässigt fortschrittlicher Richtung.

Diese literarische Thätigkeit, so lobenswerth dieselbe an und für sich ist, muss jedoch nur als sehr bescheiden bezeichnet werden, und wäre es sehr zu wünschen, wenn die Herren Grubenbesitzer im eigenen Interesse durch Anlage von Bibliotheken, Lesehallen, Herausgabe eines billigen grösseren, even­tuell illustrirten Volksblattes der weiteren Ausbildung eine grössere Aufmerksamkeit entgegenbringen wollten als bisher.

Lebensmittelmagazine zur Beschaffung billiger und guter Lebensmittel wurden bei fast allen Gruben bereits in den Sechzigerjahren auf Grund des § 1 3 1 des allg. Berggesetzes gegründet, eine wahre Wohlthat für die Bergarbeiter. Leider wurden in den Jahren nach 1890 die meisten dieser Magazine wieder aufgelöst, weil ganz unhaltbare Verdächtigungen von Seite einer Arbeiterpartei die weitere Manipulation für die Gewerkschaft unleidlich machten.

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