Mit dem Verschwinden der Handpapiererzeugung entwickelte sich umso kräftiger die mechanische Herstellung des Papieres in den modernsten Formen. Capital und technischer Erfindungsgeist wendeten sich diesem neuen Zweige der österreichischen Gross-Industrie zu. Eine Reihe hervorragender Männer, wie Piette, Kiesling, Eichmann, Roeder, Alan Rudel, Roemer, Klusemann u. A., widmeten ihre Kenntnisse und ihre Arbeitskraft der österreichischen Papier-Industrie, die sie auf eine hohe Stufe technischer und mercantiler Ausbildung brachten. Sie studirten die einschlägigen Erscheinungen des Auslandes, benützten dessen Erfahrungen, und bereicherten zum Theile durch die Einführung selbsterfundener Maschinen und Apparate, sowie neuer zweckmässiger Fabricationsverfahren die Technologie der Papierfabrication.

Unter den Männern, welche für die österreichische Papier-Industrie ihr Bestes geleistet haben, haben wir vor Allen die böhmischen Papierfabrikanten Prosper Piette und Julius Eichmann beide gestorben 1872 hervorzuheben. Einer alten Papiermacherfamilie »Piette de Rivage« in Vieil-Salm, Provinz Luxemburg, entstammend, hatten sich bereits Piettes Vorfahren auf dem Gebiete der Papierfabrication durch epochemachende Erfindungen verdient gemacht. 1883 erfanden Piettes das Kochen der Hadern mit Kalk und Natron, 1838 den rotirenden Hadernkocher, 18281835 die Fabrication von weissem Strohstoff. Im Jahre 1864 übernahm Prosper Piette, der Nachkomme dieser berühmten Papiermacher­familie, die Papierfabrik »Kaisermühle« bei Prag, in welcher er Seiden- und Cigarettenpapier in vorzüg­licher Qualität herstellte. Da die vorherigen, von verschiedenen. Seiten unternommenen Versuche zur Fabrication des Cigarettenpapieres ungenügend ausfielen, oder nach kurzer Zeit aufgegeben wurden, so darf Prosper Piette nebst Julius Eichmann als Begründer dieser heute so wichtigen Papierspecialität in Oesterreich angesehen werden. Die Einführung des bis dahin nur von den Holländern erzeugten veilchen­blauen Zuckerpapieres, welches in der Folge gleichfalls ein bedeutender Fabricationsartikel der öster­reichischen Papier-Industrie geworden ist, wird ebenfalls Prosper Piette zugeschrieben. 1869 erbaute Piette die erste mechanische Tapetenpapierfabrik in Böhmen.

Julius Eichmann ist der Begründer von drei der grössten Etablissements der Papier-Industrie in Böhmen. Im Vereine mit Franz Lorenz Söhne führte er 1842 die von Brüder Kiesling 1 ) gegründete Arnauer Papierfabrik, die durch Reconstruction und Ausbau zu einem umfangreichen Etablissement ge­worden war. Nach achtzehnjährigem Bestehen trennte sich die Firma Lorenz Söhne & Eichmann. Erstere übernahmen die Hälfte der Arnauer Werke, während Eichmann die zweite Hälfte verblieb. Die Werke von Lorenz Söhne wurden später an die heutige Actien-Gesellschaft »Elbemühl, k. k. priv. Papierfabriks­und Verlags-Gesellschaft« abgetreten. Eichmann verband sich mit Gustav Roeder und gründete in Marschen­dorf eine dritte grosse Feinpapierfabrik, die heute unter der Firma Gustav Roeder & Co. besteht. Julius Eichmann leitete schon im Jahre 1836 die »Kaisermühle«, die erste mechanische Papierfabrik in Oester­reich. Seine Grundsätze über Fabriksleitung, seine Principien zur Regelung des Rohmaterialien-Einkaufes nach technischen und praktischen Calcülen, seine Fabriksbuchführung und Papiercalculationen sind noch vor seinem Tode das Eigenthum fast der ganzen österreichischen Papier-Industrie geworden.

Die epochemachenden Erfindungen Dr. Kellners auf dem Gebiete der Cellulosefabrication haben wir schon erwähnt. Von demselben stammen auch zahlreiche technische Neuerungen, welche er in der Construction der Hilfsapparate und der Kochgefässe der Zellstoff-Industrie eingeführt und in der Cellulose­fabrik in Podgara und den grossen Anlagen der Kellner-Partington Co. in Hallein praktisch erprobt hatte. Die Zellstoff-Industrie ist überhaupt ein Feld, auf dem Oesterreicher mit grossem Erfolge zur Vervoll­kommnung dieses Industriezweiges thätig waren. So zum Beispiel Julius Spiro, Theilhaber der Ivrumauer Papier- und Cellulosefabriken, Georg Kreis, Director der k. k. priv. Heinrichsthaler Papierfabrik Martin Kink & Co., und Dr. August Harpf, Docent an der k. k. Bergakademie in Pribram, welch Letzterer mit seinen fachmännischen Untersuchungen über die Herstellung der Sulfitlauge und über das Kochen der Fabrication manche werthvolle Anregungen gegeben hat. Dem langjährigen technischen Director der k. k. priv. Papierfabrik »Schlöglmühl«, Max Sembritzki, dankt die Papier-Industrie die Erfindung einer Papierschöpfmaschine, welche das Problem löst, Büttenpapier mit der Maschine herzustellen. Bischof erfand den nach ihm benannten Rollapparat zum Aufrollen des endlosen Rotationsdruckpapieres und construirte wesentliche Verbesserungen an Hilfsapparaten der Papiermaschine, die heute noch fast allgemein benützt werden. Die Holländermaschine, welche in den Sechzigerjahren grosse Verbesserungen, namentlich durch

>) Die Brüder Kiesling entstammten einer alten, angesehenen Papiermacherfamilie in Böhmen. 1S00 gründete Kiesling eine Papier­fabrik in Hohenelbe, die indessen heute nicht mehr existirt.

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