zu befriedigen und selbst den bizarrsten Launen sich anzuschmiegen, und nebenbei versteht sie es auch, sich durch Handlichkeit und Bequemlichkeit so einzuschmeicheln, dass sie oft genug das Bedürfnis der Correspondenz dort hervorruft, wo kurz zuvor kaum welches vorhanden war. So erklärt es sich, dass die Zahl der Erzeugnisse der Papier-Confection ins Ungemessene steigt, dass diese Industrie ein Heer von Arbeitern, eine Unzahl von Maschinen beschäftigt und dass zahlreiche andere Industriezweige, bald dienend, bald vorarbeitend, in ihrem Gefolge ziehen.

Wie schon erwähnt, ist die Papier-Confection eine noch junge Industrie, deren Name im Allgemeinen sogar noch schwankend ist.

Der Schreiber dieser Zeilen war es, der vor einigen Jahrzehnten für die Erzeugnisse seines Eta­blissements in Margarethen, für die Herstellung der verschiedenen Papiersorten in Correspondenzformat, in Enveloppes und Cassetten den Ausdruck »Papier-Confection« zuerst in Anwendung brachte. Dieser Ausdruck, der als Fremdwort den Vortheil bot, dass sich in ihm die ganze Reihe der bisher ungewöhn­lichen und weniger bekannten einschlägigen Manipulationen zu einem concisen Begriff vereinigen liess, bürgerte sich rasch in der Allgemeinheit ein, konnte aber dennoch den Nachtheil nicht vergessen lassen, dass er eben ein Fremdwort war.

Um einen entsprechenden deutschen Ausdruck an seine Stelle zu setzen, wurde im Jahre 1877 von der Redaction der »Papier-Zeitung« in Berlin ein Concurs bezüglich eines deutschen Ersatzwortes für »Papier-Confection« ausgeschrieben. Derselbe ergab das Resultat, dass über Vorschlag von sechs Herren, unter denen sich auch der Schreiber dieser Abhandlung befand, die Bestimmung getroffen wurde, anstatt des Wortes »Papier-Confection« den Ausdruck »Papier-Ausstattung« anzuwenden. (Siehe »Berliner Papier- Zeitung«, Jahrg. 1878, S. 97.)

In jüngerer Zeit scheint nun wirklich die Bezeichnung »Papier-Ausstattung« vorzudringen und nach und nach dem Fremdworte »Papier-Confection« den Rang abzulaufen.

Es liegt ja auch in dem deutschen Ausdrucke gewissermaassen schon ein Theil der Definition dieser Industrie, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, bei den ihrer Behandlung unterzogenen Papiersorten einer­seits die Zweckmässigkeit derselben durch technische Verbesserungen, andererseits die Schönheit der äusseren Form durch geschmackvolle und künstlerische Ausschmückung zu heben und zu vervollkommnen.

Wir wollen hoffen, dass für die Zukunft der Ausdruck »Papier-Ausstattung« zur ausschliesslichen Geltung kommt.

Um die Entwickelung dieser Industrie in Oesterreich zur Darstellung zu bringen, wird es sich empfehlen, auf die Zeit von ihren Anfängen innerhalb und ausserhalb unseres Heimatlandes einen kurzen Blick zu werfen.

Wer je die schriftlichen Hinterlassenschaften unserer Vorfahren, sei es in Sammlungen von Auto­graphen berühmter Persönlichkeiten, von behördlichen Documenten etc., oder von Briefen privater Natur prüfenden Blickes durchmustert, wird leicht die Beobachtung machen, dass unseren Vorfahren die Beschaffung ihres Correspondenzpapieres durchaus nicht viel Kopfzerbrechen verursachte.

Bis zu Ende des 18. und noch in den ersten Decennien unseres Jahrhunderts half man sich in der einfachsten Weise dadurch, dass man einen Bogen des gewöhnlichen Papieres im Formate von 8/13 oder 9/15 (Zoll) im Rücken durchschnitt und den so erhaltenen Halbbogen noch einmal zusammenfaltete; hiemit war das Correspondenzquart fertig; sowohl Privat- als Geschäftsbriefe jener Zeit, die Briefe hoher und höchster Herrschaften zeigen die gleiche Provenienz.

Aus dem Bogen 8/13 Zoll wurden die Briefschaften der Kaiserin Maria Theresia gefaltet, aus dem gleichen Formate die Briefe Kaiser Josefs II. und dessen Zeitgenossen. Den untrüglichen Beweis für diese Behandlung des Papieres zeigt der Verlauf der Rippung, wie die Stellung des im ursprünglichen Bogen be­findlichen Wasserzeichens.

So war es Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte hindurch gehalten worden, so blieb es bis in unsere Zeit; kleine, heute kaum verstandene Aeusserlichkeiten in der Form unserer Correspondenz sind Ueberbleibsel aus jener Vergangenheit. Wir sind heute gewöhnt, Briefen, bei denen auch nur die ersten beiden Seiten beschrieben sind, die Zugabe eines sogenannten »Respectblattes« zu belassen. Woher kommt diese Sitte? Sie stammt aus jener Periode der Correspondenz, in der die letzte Seite des Briefes unbeschrieben bleiben musste, weil sie nach der damals üblichen Faltung des Briefes zur Angabe der Adresse benützt wurde. Eine besondere Umhüllung des Briefes, ein Couvert, war eine höchst seltene Sache. Einen sehr inter-

56