essanten Ueberblick über die verschiedenen Briefformen bis weit in die Vergangenheit zurück gewährt uns die Sammlung des hiesigen Post-Museums; sie enthält auch eine Collection von Couverts, die vom Schreiber dieses seinerzeit vervollständigt wurde.

Als ein bedeutender Fortschritt war es schon zu bezeichnen, als in den Dreissigerjahren in den Kreisen der Kaufleute und überhaupt der besseren Stände ein eigens zu Zwecken der Correspondenz be­stimmtes Papier zur Verwendung gelangte. Englische und holländische Fabriken hatten es verstanden, gutes, dünnes Postpapier, das weniger Portospesen erforderte, zu erzeugen und auf den Markt zu bringen, und besonders die holländischen Vélin- und gerippten Papiere wussten ihren Weg auch nach Oesterreich zu finden. Sie trugen im Wasserzeichen das Posthorn mit der Krone im Wappenschilde, und viele der sogenannten Handbillets der Souveräne sind auf Octavblättern geschrieben, die aus solchen Bogen geschnitten waren.

Von da ab finden wir, dass auch schon das Octavblatt für die Privatcorrespondenz seinen Anfang nimmt. Grösstentheils wurde englisches Papier der Firma Whatmann benützt und tragen die Octavpapiere dieser Firma schon regelmässig das Wasserzeichen in jedem Briefe.

Mitte der Dreissigerjahre tauchen auch bereits, wenngleich vereinzelt, Papiere mit gedruckter Rand­einfassung auf, die aber zugleich den Beweis lieferten, dass der gute Geschmack in dieser Richtung da­mals recht geringe Ansprüche stellte. Ein weiterer, mächtiger Anstoss nach vorwärts sollte von Aussen kommen. Ende der Dreissigerjahre gelang es einer englischen Briefpapiersorte, allerdings ausgezeichneter Qualität, sich geltend zu machen, überall, auch auf dem Continente, sich Eingang zu verschaffen und nach und nach fast den Weltmarkt zu erobern; es waren dies Briefe mit einer Hochdruckpressung in der linken oberen Ecke, die das Wort »Bath« mit einer englischen Königskrone darüber zeigte, das soge­nannte, heute noch in den Fachkreisen unter diesem Namen bekannte »Bathpapier«.

Ueber die eigentliche Bedeutung des Wortes »Bath«, über die Provenienz des Papieres, kann der Verfasser dieser Abhandlung leider keine absolut sichere Auskunft geben.

Vielfältig eingeholte Erkundigungen über dieses Bathpapier, sowohl in England selbst, als bei Fachleuten in anderer Herren Länder etc., blieben resultatlos. Es hat in England niemals eine Papier­fabrik oder eine Firma dieses Namens bestanden, die ihrem Producte mit der Prägung des Wortes »Bath« das Zeugnis der Provenienz hätte mitgeben können, und so muss den Vermuthungen hierüber freier Spiel­raum gelassen werden. Naheliegend scheint es, die Prägung »Bath« und die dar üb erstehende Krone mit dem bekannten englischen »Bathorden« in Verbindung zu bringen, umsomehr, als Variationen der Prägung, von denen wir später zu sprechen haben, wieder einen englischen Orden zum Gegenstand haben. Da­gegen spricht aber sowohl die ausserordentliche Verbreitung des Bath-Briefpapieres, die mit der seltenen Verleihung des Bathordens und der geringen Anzahl der zum Gebrauche solchen Papieres berechtigten Personen kaum in Einklang zu bringen ist, als auch die Form der Krone über dem Worte »Bath«, die sich von der dreifachen Krone des Bathordens auffällig unterscheidet.

Nach Ansicht des Schreibers dieser Zeilen könnten die ßathpapiere stammen aus der Stadt Bath in England, in der Grafschaft Sommerset am Avon, die einst ein hochberühmter, auch vom Continente aus besuchter Badeort Englands war. 20.000 bis 25.000 Gäste jährlich benützten die warmen Quellen, die unter dem Namen »Aquae solis« schon den Römern bekannt waren, und in der alten Sitte, die Briefe aus solchen Orten mit dem Zeichen ihrer Herkunft zu versehen, dürfte auch die Entstehung der Bath- prägung zu suchen sein.

Von diesem Badeort aus nahmen die Briefe ihren Weg durch die ganze Welt; das gefällige Format, die gute Qualität des Papieres erwarb demselben rasch Freunde und zahlreiche Abnehmer, und im Laufe weniger Jahre erhielt die Bathprägung den Charakter einer internationalen unerlässlichen Marke für vor­zügliches Erzeugnis. Dass späterhin nicht alles mit dem Bathstempel geprägte Papier englischer Her­kunft war, ist selbstverständlich. Allerorts, auch in Wien, und zwar bis in die Fünfzigerjahre, wurden hier gravirte Bathstempel zur Prägung solcher Papiere verwendet.

So gewöhnte sich das Publicum nach und nach daran, in der oberen linken Ecke des Briefpapieres eine Prägung zu finden, und es ist somit in der Herstellung des Bathpapieres thatsächlich der erste Schritt zum heute so allgemein üblichen Prägeschmuck des Correspondenzpapieres zu erblicken.

Von England aus hatte das Bathpapier als Eroberer des Weltmarktes seinen Weg angetreten, und von demselben Lande her sollten auch wieder die ersten Versuche ausgehen, die Alleinherrschaft des

Die Gross-Industrie. V.

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