Belgien haben verhältnismässig geringen Bedarf, und speciell Belgien hat eine ziemlich entwickelte eigene Production. Der Export nach den anderen europäischen Ländern ist grösstentheils der hohen Zölle wegen unmöglich. Dies gilt in erster Linie von Rumänien, wohin die früher bedeutende Ausfuhr ganz aufgehört hat, aber auch nach Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden und Italien ist eine grössere Ausfuhr aus eenanntem Grunde nicht zu erzielen.

Wie vielfach der Export österreichischer Artikel durch ungerechte Zollbehandlung erschwert wird, erfährt die hiesige Papier-Confection in Deutschland, woselbst die mit sogenanntem Leder-Imitationspapier überzogenen Briefpapiercassetten, welche in ziemlichen Mengen dahin geführt werden, von den deutschen Zollbehörden als feine Lederwaaren behandelt und demgemäss mit dem höheren Zollsätze belegt werden, während für dasselbe aus Deutschland importirte Leder-Imitationspapier der Eingangszoll von Buntpapier bezahlt wird. Die diesbezüglich vor einigen Jahren im Wege des k. k. Handelsministeriums eingebrachten Reclamationen harren noch der Erledigung.

Der überseeische Export, der bis zum Eintritt der argentinischen Wirthschaftskrisis und der bra­silianischen Wirren nicht unbedeutend war, und sich auf Mexiko und Chile erstreckte, hat seither sehr stark nachgelassen und will jetzt, wo in Argentinien und in Brasilien sich für den Import wieder annehm­bare Verhältnisse gebildet haben, trotz aller Bemühungen nicht wieder Leben gewinnen. Der Grund hiefür wird in der Rührigkeit der deutschen Industrie gesucht, welche, unterstützt durch engere und zahlreichere Geschäftsverbindungen, sowie durch seine günstigere geographische Lage und zahlreiche directe Schiffs­verbindungen, den Wiedereintritt normaler Verhältnisse in Argentinien und Brasilien früher und besser als die österreichische Industrie auszunützen in der Lage war.

Den Rohstoff betreffend ist die Papierconfections-Industrie schon seit Jahren vermöge der hoch- entwickelten inländischen Papierfabrication vom ausländischen Bezüge ganz emancipirt.

Im Allgemeinen ist der Stand der Papierconfections-Industrie kein günstiger; sie wird, wie alle anderen Industrien, durch die hohen Steuern, durch die Kosten der Arbeiter-Kranken- und Unfallversicherung u. s* w. stark belastet, und dass sie, wenn mit diesen Lasten als einem unvermeidlichen ^Factor heute ge­rechnet werden muss, diese wesentliche Erschwerung der Productionsbedingungen nicht léicht trägt, geht aus den vorliegenden Darstellungen zur Genüge hervor.

Eine Besserung in der Lage dieses Industriezweiges kann nur im Zusammenhänge mit einem all­gemeinen wirthschaftlichen Aufschwünge erwartet werden; hievon abgesehen aber, könnte einerseits durch Herstellung billiger Exporttarife nach den Consumländern, andererseits durch ! Erwirkung niedriger Einfuhr­zölle in jenen Staaten, welche den Zugang zu denselben mittelst der Zollschranken versperren, fördernd auf sein Gedeihen hingearbeitet werden.

Die statistischen Daten über die Ausfuhr dieser Industrieproducte im Zweifel an der Richtigkeit der­selben übergehend und in Ermanglung officieller Nachweise nur auf Grundlage von theilweisen Angaben und Schätzungen urtheilend, können wir annehmen, dass sich der Handelswerth der Erzeugnisse auf circa 2,800.000 fl. beziffert, die Lohnsumme mehr als 700.000 fl. beträgt, die motorische Kraft 140 Pferde­stärke sein dürfte und über 2000 Arbeiter (hievon 9 /io weibliche Hilfsarbeiterinnen) Erwerb finden. Diese Arbeiterzahl ist nicht der Statistik der Unfallversicherung entnommen; diese gibt keine specificirten Nach­weise, sie führt an, dass in die Gesammtzahl alle in der Papierverarbeitung beschäftigten Kräfte, als: Buchbinder, Cartonage-Arbeiter, sowie die bei der Cigarettenhülsen- und Spielkarten-Fabrication etc. ver­wendeten Arbeiter und Arbeiterinnen einbezogen sind.

Zieht man eine Parallele zwischen den angeführten Handelskammerberichten und der kurzen Spanne Zeit, seitdem die Papier-Confection besteht, so muss uns das Resultat mit hoher Befriedigung erfüllen.

Wie die Wiege dieser in kurzer Zeit so hochentwickelten Industrie in unserem geliebten Wien stand, so waren auch Wiener Industrielle berufen, dieselbe ihrer gegenwärtigen Vollendung zuzuführen.

Erst nach einer Reihe von Jahren, als in Wien die Papier-Confection schon ihrer Vollendung entgegengieng, entschloss sich Deutschland als Mitbewerber dieses Industriezweiges aufzutreten, während Frankreich als modernes Dornröschen mehr als 20 Jahre im süssen Schlummer verbrachte, um nun, noch traumbefangen, das als »Dernière nouveauté« auf den Markt zu bringen, was in Oesterreich schon vor zwei Decennien und in besserer Ausführung gemacht wurde. So wollen wir freudig in die Zukunft schauen, Gott bittend, dass er unsere Bestrebungen schirme und schütze wie bisher, und dass dieser in Wien geschaffene Industriezweig blühe und gedeihe zur Ehre und zum Ruhme Oesterreichs!

68