Der Eindruck, den all das Geschaute auf uns ausübt, ist ein tiefer und nachhaltiger, und wir sind sicher, dass kein Besucher einer solchen Fabrik sich diesem Eindrücke entziehen wird.

Ueberrascht von der Grösse und Mächtigkeit dieser Industrie, einer noch so jungen Schöpfung unserer Zeit, fast verwirrt durch die Verschiedenartigkeit und Mannigfaltigkeit ihrer Production, kann man doch bei ernster Betrachtung einen eigenthümlichen Grundzug nicht verkennen, der durch die ganze Fülle der Erscheinungen hindurchgeht, nämlich ihre enge Beziehung nicht nur zu den kleinen Passionen der feinen Welt, sondern überhaupt zu den Neigungen und Wünschen des Menschenherzens und Gemüthes, ihre enge Beziehung zum ganzen menschlichen Leben. Alle die vielfärbigen Blätter und Blättchen mit ihren schillernden Farben, dem glänzenden Schmuck, sie reihen sich zu charakteristischen Gruppen, und jede dieser Gruppen versieht mit ihren Blättern einen einzelnen Lebensabschnitt wie mit einem Merkzeichen.

Diese ganz kleinen zierlichen Visitkarten mit der rosa Seidenband-Masche, sie flattern hinaus mit dem Namen eines kaum ins Dasein getretenen Menschensprösslings; sie haben die Aufgabe, ihn im Ver­wandtenkreise einzuführen, sie stehen sozusagen an seiner Wiege; einige Jahre später, und der blumen­geschmückte Gratulationsbogen, mit linkischen Schriftzügen versehen, wird vom selben Menschenkinde den Eltern überreicht und von seinen gestammelten Worten begleitet.

W T ie lange dauert es, und die steten Symbole der Jugend und Schönheit, die Töchter der Flur, Rosen und Veilchen und alle die Blumen, sie zieren das Papier und die Billets der heranblühenden Jung­frau, während sich der reifende Jüngling mit Vorliebe den Bildern aus Wald und Gebirge, aus Jagd und Sport zuwendet. Dann kommen die ersten Ballkarten daran, die reizenden Tanzordnungen, die bunte Menge von Billet-doux, mit allen ihren Hoffnungen und Versprechungen, die endlich in den Verlobungs­und Trauungsanzeigen den Weg zum Gipfel des Menschenglückes markiren.

Die Jahre des Schaffens und Whrkens folgen; sie werden ausgefüllt mit der ernsten Correspondenz in Geschäfts- und Privatbriefen, aber mit kleinen Unterbrechungen durch Soirée- und Gesellschafts­einladungen, durch Menukarten und Tafelordnungen, durch Ehrenkarten, vielleicht auch durch Diplome und Auszeichnungsbriefe, und diese ganze Gruppe leistet ihre Gefolgschaft durchs Leben, bis es endlich mit dem Menschenkinde zu Ende gegangen und die schwarz umrandeten »Parte« von dem Abschlüsse seiner irdischen Laufbahn die letzte Kunde geben. Haben wir Unrecht, zu sagen, dass sich unsere Indu­strie enge und treu in seltener Art ans menschliche Leben anschliesst und dass sie es nicht mehr und nicht weniger als von der Wflege bis zum Grabe begleitet?

Zum Schlüsse dieser Abhandlung mögen noch einige allgemeine Daten über den heutigen Stand und Umfang unserer Industrie in Oesterreich ihren Platz finden; wir entnehmen hiezu die Daten aus den Handelskammer-Berichten des Jahres 1896.

In Wien ist die Zahl der Concurrenten auf dem Gebiete der Papier-Confection nicht unbedeutend ; ausserdem treten auch grössere und kleinere Provinzbetriebe in Mitbewerbung.

Die Branche ist namentlich in der Briefcouverterzeugung in Budapest durch mehrere Firmen ver­treten, welch letztere aber vorläufig ihren Absatz nur in Ungarn suchen.

Der Druck, welchen diese Ueberproduction, wie aber auch nicht minder jene im Rohmaterial, dem Flachpapiere, seit Jahren auf die Verkaufspreise üben, hat zur Folge, dass zahlreiche Erzeuger behufs Absatzerzielung zur Qualitätsverschlechterung greifen. Es macht sich dies insbesondere bei den soge­nannten glatten Commerzwaaren (Briefe und Couverts in Schachteln), wie auch bei Mercantil-Briefcouverts be­merkbar, und die Herstellung dieser Artikel ist daher durchaus nicht lohnend. Den Firmen, die sich nicht ausschliesslich mit Commerzwaaren befassen, bieten bessere Mittel- und feine Luxuswaaren, sowie gut eingeführte eigene Marken dafür Ersatz, wenn auch der Consum in Luxus- und Phantasie-Briefpapieren seit einigen Jahren stagnirt.

Ueberaus heftig gestaltet sich der Kampf der inländischen Erzeuger im Auslande, obwohl der Export theils in Folge der hohen auswärtigen Importzölle, theils der betreffenden Eigenerzeugung wegen kein besonders gewinnbringender ist. Im Allgemeinen sind nur Deutschland, Holland und Russland ren­table Absatzgebiete. Die Schweiz, Belgien, Bulgarien und die Türkei nehmen wohl regelmässig Waaren auf, doch ist das Geschäft nach diesen Ländern aus verschiedenen Ursachen nicht lohnend. Bulgarien und die Türkei consumiren grösstentheils nur billige Waare, welche geringen Nutzen ab wirft, und speciell in der Türkei kommt die italienische Concurrenz in Betracht, die in Folge günstigerer Productions- und Frachtverhältnisse, besonders in der billigen Commerzwaare, nicht zu besiegen ist. Die Schweiz und

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