sind. Aber wie in allen ähnlichen Fällen, so sind auch hier viele der Etablissements nicht auf reeller Basis aufgebaut, viele von den Gründern für eigennützige Zwecke missbraucht worden und wieder andere einer unwissenden Verwaltung unterlegen. Und so kam es, dass in Folge der Krise, welche dem allgemeinen Krache im Jahre 1873 gefolgt war, auch sehr viele von den damals gegründeten Zuckerfabriken zu Grunde giengen, entweder gänzlich aufgelassen wurden oder in andere Hände übergegangen sind. Nur ein verhältnismässig kleiner Theil hat sich bis heute erhalten. Seither sind sogar Fälle wenn auch nur vereinzelt vorgekommen, dass auch Privatfabriken in landwirtschaftliche umgewandelt wurden. Ueberdies sind seither einige noch ganz neu aufgebaut worden. Der heutige Stand der landwirthschaftlichen Zuckerfabriken ist nachstehend: In Böhmen 37, in Mähren 9, zusammen 46.

Es sind daher von den 93 als »landwirtschaftliche« gegründeten Zuckerfabriken 47 ihrem ursprünglichen Zwecke entfremdet worden, und zwar sind zehn gänzlich eingegangen und die übrigen in Privathände gelangt. Aus diesen erschreckenden Zahlen ersieht man gleichzeitig, wie ausserordentlich schwierig es ist, eine rein land­wirtschaftliche Zuckerfabrik den Landwirten selbst zu erhalten, und nur derjenige, der in das Gebahren solcher Etablissements ganz genau eingeweiht ist, kann es beurteilen, welcher Selbstverleugnung es so häufig bedarf, in der Verwaltung eines solchen Etablissements mit Erfolg thätig zu sein.

Wenn wir nun bedenken, dass heute in Oesterreich-Ungarn überhaupt 232 Zuckerfabriken in Betrieb stehen, wovon 12 reine Raffinerien sind und deshalb blos 220 Rübe verarbeiten, so ist immerhin die Zahl der 46 land­wirthschaftlichen Zuckerfabriken, also 2i°/ 0 , eine ziemlich ansehnliche. Von den bis heute bestehenden landwirth­schaftlichen Fabriken sind 40 aus der Reihe, die vor dem Jahre 1873, und 6, die nach dieser Zeit ent­standen sind.

Zu jenen, die schon vor dem Jahre 1873 entstanden sind und bis heute alle Gefahren siegreich überwunden haben, gehört auch die landwirtschaftliche Zuckerfabrik in Littau in Mähren, welche in vorliegenden Zeilen näher ins Auge gefasst werden soll.

Aus sehr bescheidenen Anfängen entwickelte sich dieselbe im Laufe der Zeit trotz überstandener drohender Krisen, welchen die Zucker-Industrie ganz besonders, und zwar ziemlich häufig, ausgesetzt ist, zu einem Etablissement ersten Ranges. Im Jahre 1871 wurde dieselbe unter der protokollirten Firma: Rolnicky akciovy cukrovar v Litovli mit einem Actiencapital von 200.000 fl. gegründet, welches jedoch leider nur zur Hälfte eingezahlt war, als die Fabrik am 20. December des Jahres 1871 die erste Campagne, nur mit einem minimalen Rübenquantum versehen, begonnen hatte. Die erste Campagne ist ohne besonderen Unfall vorübergegangen; doch hat man den Geldmangel nach allen Seiten gefühlt, und es sind daher verschiedene Vorschläge ventilirt worden, das Etablissement vor dem Untergange zu retten, denn schon damals haben sich die ersten Anzeichen des kritischen Jahres 1873 gezeigt, insbesondere in dem sehr hohen Zinsfuss. Und es ist auch thatsächlich nach der zweiten Campagne 1872/73 die Krise des Etablissements mit aller Wucht ausgebrochen, nachdem diese Campagne einen Verlust von ö. W. fl. 36.891-98, also über ein Drittel des eingezahlten Capitals, brachte. Das Etablissement wäre auch ganz entschieden dem Concurs zum Opfer gefallen, wenn die Actionäre nicht selbst zu Hilfe gekommen wären, und zwar dadurch, dass sie freiwillig ein Anlehen zeichneten. Mittlerweile ist auch das Actiencapital mit vieler Mühe auf das statutarische Minimum gebracht worden. Mit der Campagne 1874/75 begann eine bessere Zeit, und es folgten einige sehr glückliche Campagnen, so dass bereits im Jahre 1879 zur theilweisen Rückzahlung der Anleihe geschritten werden konnte und die Consolidirung und Creditfähigkeit der Actiengesellschaft sehr erfreuliche Fortschritte machte, da man schon nach kurzer Zeit über ein eigenes entsprechendes Betriebscapital verfügte und so von den Geldinstituten vollkommen unabhängig wurde. Der weitere grosse Aufschwung war dann nur eine Fortsetzung der Festigung in den guten Jahren, und es ist die heutige Lage des Etablissements trotz der sehr grossen Verluste, die in den Campagnen 1894/95 und 1896/97 erlitten wurden, eine so günstige, dass manche herrschaftliche Zuckerfabrik damit zufrieden sein könnte.

Damit nun gezeigt werde, welche Fortschritte auch in technischer Beziehung und bei der Manipulation im Laufe der Jahre gemacht worden sind, sei hier eine Zusammenstellung der wichtigsten Arbeitsmomente während der ganzen Dauer des Bestandes dieses Etablissements angeführt, und zwar in Gruppen zu je vier Campagnen zusammengezogen, aus welcher man die Fluctuationen ersehen kann, denen die Production unterworfen waren, und zu welch bemerkenswerthen günstigen Resultaten man im Laufe der verhältnismässig wenigen guten Jahre gelangt ist. (Siehe letzte Seite dieses Aufsatzes.)

Ueber den heutigen Stand der Betriebsvorrichtungen sei Nachstehendes angeführt: Die Littauer Zuckerfabrik ist im Jahre 1871 von der Maschinenfabrik Breitfeld, Danök & Comp, in Prag auf eine tägliche Leistung von 2000 Wiener Centner Rübe eingerichtet worden; thatsächlich betrug jedoch die durchschnittliche Verarbeitung in der ersten Campagne (siehe obgenannte Zusammenstellung) blos 715 Metercentner, das ist 1276 Wiener Centner. Grössere Reconstructionen und Erweiterungen sind in den Jahren 1879, 1880, 1886 und 1890 vorgenommen worden. Die Fabrik ist seit ihrer Gründung zur Saftgewinnung mittelst Diffusion eingerichtet.

Zur LIerbeischaffung der Rübe aus den zwei grossen Rübenlocalen, welche einen Fassungsraum von zusammen 28.800 Metercentner haben, zu den beiden Rübenwäschen dient ein Netz von zum grossen Theile unter­irdisch geführten Rübenschwemmen, die eine Gesammtausdehnung von 482 Currentmeter haben. Die Rüben werden auf 4 Schnitzelmaschinen geschnitten und die so gewonnenen Schnitte mittelst eines Gurtentransporteurs selbstthätig in die Diffuseure gebracht. Die Diffusionsbatterie besteht aus 12 Gefässen mit unterer Entleerung und einem Gesammt- inhalt von 688-3 Hektoliter. Zum Abpressen der ausgelaugten Rübenschnitte sind 4 Klusemannsche Pressen vorhanden, welche im dritten Stockwerke aufgestellt sind und durch einen Schnitte-Baggeraufzug vollkommen automatisch aus dem Schnittecanal bedient werden.

Die Gross-Industrie. V.

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