In der Campagne
Mit
Gesammtzahl der Braustätten
einer Jahreser über
10.000 Hektoliter
z e u g u n g
unter
1892 .
. . . . 1694
298
1396
1893 . .
1667
319
1348
1894 . .
. . . . 1639
3 2 3
1316
1895 • • ■
. . . . 1598
343
1255
Vom Jahre 1851 bis zum Jahre 1895 hat sich die Gesammtzahl der Braustätten um 46 Procent vermindert. Die Ziffer der grossen und mittleren Brauereien weist für die Periode 1880—1894 eine Steigerung von 61 Procent, jene der Kleinbrauereien eine Abnahme von 32 Procent . auf. Aus dieser Erscheinung lassen sich für die Zukunft mancherlei wirthschaftliche und socialpolitische Consequenzen ziehen.
Zunächst muss der Umstand hervorgehoben werden, dass die Kleinbrauerei mit der Landwirthschaft viel häufiger als die Gross-Industrie zu einem gemeinsamen Betriebe verknüpft ist, woraus sich wechselseitig zahlreiche Vortheile ergeben. So würden unter Umständen Gerstensorten, die aus schwachen Böden stammen, wegen der entfernten Marktlage und der hohen Transportkosten kaum einen günstigen Absatz finden, wenn sie nicht von den in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen kleinen Landbrauereien aufgenommen würden, die wieder als Gegenwerth an die Landwirthschaft die Treber, eines der vorzüglichsten Futtermittel, abgeben. Kleine, an sich unrentable Brauereien werden oft nur zu dem Zwecke betrieben, um durch die erwähnte Futterbeschaffung die Viehhaltung auch dort zu ermöglichen, wo der Boden die natürlichen Futtermittel nicht in ausreichendem Maasse liefert und andererseits Bedarf an Düngmitteln vorhanden ist. Mit dem Verfalle des Kleingewerbes verlieren auch zahlreiche Kleinunternehmer ihre selbstständige Stellung. Sogar für den tüchtigsten Arbeiter schwindet damit jede Hoffnung, sich jemals zu einer Unabhängigkeit emporzuheben, welche, mag sie noch so unbedeutend sein, von der Volksmeinung irrigerweise als eine höhere sociale Position angesehen wird. In dem Maasse, als die Betriebsconcentration zunimmt, entwickelt sich in jedem grossen industriellen Unternehmen eine Art dienstlicher Hierarchie, und immer länger wird die Stufenfolge, die zu den höheren Stellungen führt. Immer mehr weitet sich die sociale Kluft, die den Lohnarbeiter von jenen Personen trennt, die sich auf dirigirenden Posten befinden. Im Gefolge der fortschreitenden Arbeitstheilung steht aber auch eine gewisse Einseitigkeit in der technischen und administrativen Ausbildung. So findet ein Mälzer in anderen technischen Zweigen der Brauerei nicht leicht ein Anstellung, ebensowenig ein Brauer in Mälzereien. Dies gilt nicht minder vom gewerblichen Nachwuchse. Es ist begreiflich, dass in einem Grossbetrieb weder die Unterweisung in der Lehre so gründlich, noch die Beaufsichtigung des Lehrlings so strenge sein kann, wie in kleinen Betriebsstätten.
In diesen ist es leichter, den Ueberblick über das Ganze des Erzeugungsprocesses und seiner Einzelheiten zu gewinnen, während in einem grossen Etablissement selbst ein gewiegter Fachmann zur vollständigen Orientirung längere Zeit benöthigt. Bisher hat das Kleingewerbe die jugendlichen Arbeitskräfte geschult; wenn es nach den ökonomischen Gesetzen seine Lebensberechtigung verliert, so wird es Aufgabe der interessirten Kreise sein, für Lehreinrichtungen zu sorgen, damit derjenige, der sich dem Braufache widmet, neben der theoretischen Ausbildung auch den entsprechenden praktischen Unterricht in einer diesen Zwecken entsprechend eingerichteten Lehrbrauerei erhält.
Die Physiognomie der einzelnen Kronländer im Hinblick auf ihre brauindustrielle Entwickelung ist ungleichartig, wie aus folgender, für die Campagne 1894/95 entworfenen Tabelle, der letzten, für welche officielle Daten zur Verfügung stehen, hervorgeht.
Darnach stand Niederösterreich in Bezug auf die Leistungsfähigkeit seiner Gross-Industrie an der Spitze aller Kronländer. Es besass im angeführten Jahre 13 Grossbrauereien mit einer Production von 2,985.717 Hektoliter. Böhmen mit acht Grossbrauereien und einer Jahreserzeugung von 1,741.357 Hektoliter stand an zweiter Stelle. Der Mittelbetrieb herrscht vor in Böhmen und Mähren. Die Kleinbrauereien finden sich in grösster Zahl und mit höchster Productionsziffer, welche in ihrer relativen Höhe jene der Gross- Industrie erreicht, in Böhmen. Es folgen weiter Oberösterreich, Galizien und Tirol. Von sämmtlichen in der Campagne 1894/95 bestandenen Braustätten gehörten 27 der Gross-Industrie, 316 dem Mittelbetriebe und 1255 dem Kleinbetriebe an. Die kleinen Brauereien erzeugten 3,714.731, die mittleren 7,993.557, die grossen 5,567.060 Hektoliter. Daraus geht hervor, dass der Zahl der Braustätten nach die Brau-Industrie in Oesterreich in überwiegendem Maasse einen kleingewerblichen Charakter besitzt, dass jedoch an der Menge der
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