ERSTE

BIERBRAUEREI-ACTIENGESELLSCHAFT

IN WIEN SCHELLENHOF.

chellenhof ist ein Dominicalbesitz, dem bis zum Jahre 1848 die Jurisdiction »anklebte«. In der Land­tafel erscheint es als »Edelsitz Schellenhof« verzeichnet. Der Sage nach soll es einstens ein Kloster gewesen sein, doch finden sich keine Daten, welche dies bestätigen würden. Die ältesten Nachrichten über Schellenhof gibt das Giltbuch für Niederösterreich; dasselbe reicht bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück und bezeichnet als Besitzer dieses Gutes 1559 den Caspar von Erlbeckh, welcher daselbst auch seinen Wohnsitz hatte.

Zweifellos besteht aber Schellenhof schon viel länger, und dürfte seine Entstehung noch vor jener des Ortes Siebenhirten fallen. Dieser Ort, der sich an Schellenhof anschliesst und ehemals in dessen Herrschaftsbereich gehörte, bestand urkundlich schon im Jahre 1178 und befand sich zu der damaligen Zeit im Besitze Ulrichs von Falkenstein, eines Ministers des Herzogs Leopold VI.

Da nun in jenen barbarischen Zeitläuften die Geltung des rohen Faustrechtes eine allgemeine Unsicherheit und Bedrängnis hervorbrachte, so dass die Schwachen entweder zur Beute oder zu Schutzbefohlenen der Stärkeren wurden, konnten Ansiedlungen selbstverständlich zumeist nur in unmittelbarer Nähe von befestigten Sitzen, Burgen und Klöstern gegründet werden, um hinter deren Mauern bei herannahender Gefahr Schutz für Gut und Leben zu finden. Auf diese Art und Weise mochte auch Schellenhof, von dessen einstiger Befestigung heute noch Spuren vorhanden sind, Veranlassung zu Ansiedlungen gegeben haben, und so wird vielleicht auch die Gründung des Ortes Siebenhirten zu erklären sein.

Noch bis in die Hälfte dieses Jahrhunderts bewahrte Schellenhof mit ( seinen alten Gängen und Gewölben, der mit Messelicenz ausgestatteten Kapelle, dem Thurme mit Glocke und Uhr, sowie den Inleutewohnungen sein halb feudales, halb klösterliches Aussehen; erst die baulichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte gaben ihm das Gepräge eines modernen industriellen Etablissements.

Im Laufe der Zeit wechselte Schellenhof oftmals seine Besitzer, bis es 1859 an den Wiener Grosshändler Johann Christian Hoppe kam. Dieser verkaufte, das Hauptgewicht auf die Erweiterung des Brauereibetriebes legend, einen Theil der Grundstücke an den Grafen Moritz von Strachwitz behufs Errichtung eines Ziegelwerkes, das heute noch im Eigenthum des Baumeisters Ferdinand Schindler als »Ziegelwerk Schellenhof« besteht.

Im Jahre 1862 wurde Schellenhof in eine Actiengesellschaft unter der Firma: »Erste Bierbrauerei-Actien- gesellschaft in Wien« umgewandelt.

Durch Kauf erwarb die Gesellschaft 1863 die Brauerei Neu-Erlaa, die sie als solche auflöste, um deren Gebäude zu Malzbereitungszwecken zu benützen.

War bis dahin der Handbetrieb in Anwendung, so wurde jetzt die Brauerei auf Dampfbetrieb eingerichtet, die Kellereien wurden erweitert, neue Werksgebäude hergestellt und die technischen Einrichtungen vervollkommnet, so dass das Unternehmen auf eine gegen früher um Vieles erhöhte Leistungsfähigkeit gebracht wurde und die Erzeu­gung im Jahre 1897 147.870 Hektoliter Bier betrug.

Seit wann Schellenhof als Bierbrauerei besteht, d. h. seit wann daselbst Bier gebraut wird, lässt sich auch nicht einmal annäherungsweise bestimmen. Der Landtafel inliegende Kaufverträge aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts führen als Bestandtheile Schellenhofs: Bierbrauerei, Mühle, Ziegelofen und Gasthaus an, und aus den vorhandenen ältesten Steuerbüchern ist ersichtlich, dass das Gut bereits im Jahre 1732 als Brauerei besteuert war. Aber schon früher, im Jahre 1719, wird in einer Chronik des Marktes Perchtholdsdorf der »Brauerei Schellenhof« Erwähnung gethan.

Bei dem Umstande aber, dass Schellenhof seit altersher ein Dominicalbesitz war, dem als solchem auch die einstigen Dominicalgutsrechte, darunter das Braurecht, zustanden, muss angenommen werden, dass es dieses Recht auch schon in älteren Zeiten ausgeübt habe.

Die Gross-Industrie. V.

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