Vororte mit Wien selbst wurden die grossen Weinhandelslager als Freilager behandelt, in welchen die Weine bis zur Ausfuhr steuerfrei eingelagert werden können. Die grossen Firmen Franz Leibenfrost & Co. (Döbling-Wien), welche sich seiner Zeit um die Hebung des Weinbaues in Dalmatien Verdienste erwarb, M. Bauer (Simmering-Wien), J. Römer & Sohn (Döbling-Wien), Emanuel Pollak&Sohn (Rudolfsheim-Wien) u. s. w. bestehen zum Theile schon seit langer Zeit; ihr Aufschwung datirt aber hauptsächlich von der Mitte des 19. Jahrhunderts an, zu welcher Zeit durch die Schaffung der Bahn- und Dampfschiffver­bindungen dem gesammten Handel mächtige Anregungen gegeben wurden. Die genannten und andere grosse Wiener Weinhandelshäuser, welche zum Theile auch Eigenbau-Weine von ausgezeichneter Güte erzeugen, machen den grössten Theil ihrer Geschäfte naturgemäss in österreichischen Weinen, von denen die Hauptmenge im Inlande selbst verbraucht wird, während sehr bedeutende Quantitäten, namentlich ed­lere Weine, nach allen Theilen der Erde ausgeführt und dort als Producte erster Güte geschätzt werden.

Die mit dem Weinbau und der Ivellerwirthschaft in Beziehung stehenden Gewerbe: Fassfabrication, Fabrication von Kellereimaschinen (Nechvüe, Heinrich, Mayfarth in Wien) u. s. w., befinden sich auf einer so hohen Stufe der Entwickelung, dass zum Beispiel Weinfässer aus Wien nach fernen Ländern (Griechen­land, Capland, selbst bis nach China) versendet werden, und die Fabriken von Pumpen, Schläuchen, Pressen, kurz von allen zur Kellerwirthschaft erforderlichen Gegenständen ausgezeichnete Fabrikate liefern, welche die besten ausländischen in manchen Dingen noch übertreffen. Mit der Verwerthung der Nebenproducte der Weinbereitung, d. i. mit der Gewinnung von Hefebranntwein, Raffinirung von Weinstein und Dar­stellung von Weinsäure sind einige grosse Fabriken chemischer Producte in der Umgebung Wiens beschäftigt. Die beiden mit der Weinproduction in enger Beziehung stehenden Gewerbe: Fabrication von Weinessig und reinem Weinbranntwein oder Cognac werden in Oesterreich bis nun nur in geringem Umfange betrieben. Dass dies in Bezug auf die Cognacfabrication der Fall ist, hat seinen Grund wohl in dem l^hen Werthe der meisten österreichischen Weine, durchweichen der Preis des aus diesen Weinen dargestellten Cognac so gesteigert würde, dass das inländische Erzeugnis den Wettbewerb mit dem fremdländischen nicht zu er­tragen im Stande wäre. Es ist übrigens zu erwarten, dass mit der Ausbreitung der veredelten amerika­nischen Reben und der hierdurch bedeutend erhöhten Erträgnisse der Weingärten in Bezug auf Menge auch in dieser Beziehung eine Aenderung eintreten werde, und dürfte dann namentlich die Darstellung von Cognac in den südlichen Ländern von Oesterreich eine Zukunft haben.

Die geographische Lage Oesterreichs ist in Bezug auf den Weinbau eine so günstige, wie sie kein zweiter Staat in Europa aufzuweisen hat. Die Cultur der Rebe erstreckt sich von den Ufern der Elbe also nahe der Nordgrenze des eigentlichen Weinbaues durch Böhmen, Mähren, Niederösterreich, Steiermark, Kram, das Küstenland und Dalmatien bis tief nach dem Süden, wo neben der Rebe die Olive, der Lorbeer und die Dattelpalme grünen. Dieser Lage entsprechend produciren die Weingelände Oester­reichs auch Weine von allen Charakteren, von jenem des zartesten leichten Tischweines angefangen bis zu den schwersten feurigen Südweinen und natürlichen Ausbruch weinen.

Dass in einem Lande, welches in solcher Weise von der Natur in Bezug auf die Cultur der Rebe begünstigt ist, der Weinbau blühen und gedeihen muss, ist selbstverständlich. Er gedeiht in den Gefilden des heutigen Oesterreichs seit zwei Jahrtausenden, aber erst im Laufe des verflossenen halben Jahr­hunderts haben sich die Verhältnisse für ihn so gestellt, dass, unterstützt durch die Wissenschaft, durch die Schule, das Wohlwollen der Regierung und günstige Verkehrsverhältnisse, der Weinbau Oesterreichs einem neuen Aufschwung entgegensehen kann. Die Weine Oesterreichs waren in engeren Kreisen von jeher hoch angesehen, sie mögen in aller Zukunft so, wie sie es verdienen, auch auf der ganzen Erde geschätzt werden.

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