ADALBERT STANEK

SELCHWAAREN-FABRIK UND SCHINKEN-EXPORT

PRAGKLEINS EITE.

nter den vielen auf dem weiten Weltmärkte erscheinenden Exportartikeln, an welchen das industrie­reiche Kronland Böhmens einen hervorragenden Antheil hat, nehmen die Prager Selchwaaren, ins­besondere aber die Schinken, einen hervorragenden Platz ein. Aus der Statistik des Prager Schlacht­hauses ist ersichtlich, dass dortselbst im Jahre i8g6 an Schweinen 209.854 Stück geschlachtet worden sind. Ausserdem wurden dem Prager Markte in diesem Jahre zugeführt: 3577 geschlachtete Schweine und 631.710 Kilogramm Schweinefleisch. Werden nun noch die in den Schlachthäusern der Vororte Prags geschlachteten Schweine, die ungefähr dasselbe Quantum wie die oben angeführten bilden und ebenfalls in Prag verarbeitet werden, dazugenommen, so ergibt sich als Thatsache, dass Prag im Durchschnitte täglich 1000 Schweine verarbeitet.

Die in Rede stehende Selchwaarenfabrik wurde in den Siebzigerjahren von Anton Antos gegründet. Es wurden damals nur Schneide- und Füllmaschinen, und zwar im Handbetriebe, verwendet. Trotzdem war der Ruf des Geschäftes auch zu jener Zeit schon ein sehr guter. Um denselben einerseits noch mehr zu heben, andererseits auch, um durch grösseren maschinellen Betrieb die Vortheile der Zeitersparnis und einer erhöhten Productionsleistung zu gewinnen und in Folge der durch die Maschinen erzielten besseren und vortheilhafteren Verarbeitung des Roh­materiales eine bedeutend feinere und gleichmässigere Qualität der Erzeugnisse auf den Markt zu bringen, suchte A. Stanük das Unternehmen den technischen Fortschritten anzupassen.

Aus diesen Beweggründen wurden nach und nach modern construirte Schneide-, Quetsch-, Misch-, Füll- und Mahlmaschinen angeschafft. Zum Betriebe derselben dient ein Gasmotor von 10 Pferdekräften. Um den jetzigen Anforderungen zu genügen, wurden ein grosser Keller und die erforderlichen Betriebslocalitäten gebaut, damit dem ausgedehnten Betriebe voll und ganz entsprochen werden könne.

Aus uralten, handwerksmässigen Anfängen suchte sich ein Industriezweig herauszubilden, der heute schon wegen der Menge der benöthigten Rohwaare mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, weil die Zucht des Rohmateriales nicht gleichen Schritt mit dem Wachsen des Bedarfes hält. In Böhmen selbst nimmt die Schweinezucht von Jahr zu Jahr ab, während der Consum stetig steigt. Die Einfuhr ist nicht nur vom Auslande, sondern auch vom Inlande, von Galizien, erschwert. Es drohen diesem noch in der Entwickelung begriffenen Industriezweige Gefahren, welchen mit der Aufhebung der Grenzsperre vorgebeugt wäre. Diese Mäassregel wäre für den Export von Schinken und Selchwaaren von bedeutendem Vortheil, sie fiele jedoch noch mehr in die Wagschale, weil dadurch das consumirende ärmere Publicum durch Verbilligung der Preise einen unschätzbaren Vortheil gewinnen würde.

Da der österreichische Landwirth der Schweinezucht ohnedies sehr wenig Aufmerksamkeit schenkt und nur in sehr geringer Menge Schweine züchtet, würde er durch Aufhebung der Grenzsperre nicht einmal getroffen werden.

Der Absatz der Waare beschränkte sich in den ersten Jahren nur auf das Inland; nach und nach aber begann er sich über Deutschland, Ungarn, die Schweiz, Rumänien u. s. f. zu erstrecken. Vertreter hat die Firma in Wien, Budapest, Pressburg, Laibach, Berlin, München, Bukarest, Christiania und anderen Orten. Die Erzeugnisse des Etablissements finden allenthalben Anklang und behaupten die gewonnenen Absatzgebiete trotz der bedeutenden aus­ländischen Concurrenz. Die Firma ist eifrig bestrebt, das in sie gesetzte Vertrauen auch jederzeit durch tadellose Waare zu rechtfertigen.

366