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Die Groß-Industrie Oesterreichs : Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Österreichs 1898 ; Fünfter Band
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Industrie, dann aber auch der mit dieser mittelbar im innigsten Zusammenhänge stehenden Industrie, der Production von Schwefelsäure und Salpetersäure gilt, das Militärärar selbst als Producent auf den Markt tritt und mit seinen Steuer- und umlagenfreien Unternehmungen, die zudem auch nicht von den Lasten für Unfallversicherung, Krankencassen u. dgl. getroffen werden, der Privat-Industrie eine um so schwerere Concurrenz bereitet, als sie für die Zufuhr von Rohmaterialien und den Transport ihrer Producte sogar auch die ermässigten Sätze des Militärtarifes in Anspruch zu nehmen vermag, ja, dass endlich soweit gegangen wird, dass zur Deckung des Bedarfes an Hilfsstoffen für diese Betriebe vielfach nicht einmal die heimischen Producenten herangezogen, sondern derselbe in ausländischen Productionsstätten gedeckt wird!

Dabei ist die österreichische chemische Industrie mangels einer rationellen Exportpolitik, oftmals auch in Folge unzulänglicher Vertretung der österreichischen Interessen im Oriente und aussereuropäischen Ländern, Schritt für Schritt von den ausländischen Märkten, die sie bis vor Kurzem vielfach allein beherrschte, zumeist durch die Industrie des benachbarten Deutschen Reiches sowohl, dann aber auch Englands und Frankreichs verdrängt worden, während in den Consumtionsgebieten, die, wie die occupirten Provinzen Bosnien und Herzegowina, mit ihrem Bedarf naturgemäss auf die österreichische Industrie angewiesen wären, unter der Patronanz der gemeinsamen Regierung und mit materiellen Opfern seitens dieser Industrie- Unternehmungen gezüchtet werden, die dank der materiellen Unterstützung durch die Regierung in der Lage sind, den österreichischen Unternehmungen die gefährlichste Concurrenz zu bereiten.

Soll die durch das Zusammentreffen einer solchen Reihe von Factoren in die schwierigste Lage gebrachte chemische Gross-Industrie in Oesterreich auf der Höhe erhalten werden, auf welche sie bis vor etwa zwei Decennien sich zu erheben vermochte, so wird es einer zielbewussten und auf die Be­seitigung solcher Schäden sorgfältig bedachten Wandlung bedürfen, sowohl hinsichtlich des Verhaltens der politischen Behörden gegenüber der Industrie als auch hinsichtlich der Maassnahmen, betreffend das Besteuerungswesen und die Tarif- und Exportpolitik.

Es ist zu hoffen, dass der Anlauf, der in jüngster Zeit mehrfach zu Verbesserungen in dieser Richtung genommen worden ist, bei consequentem Festhalten an der Erkenntnis, dass die Kräftigung der Industrie eine der wesentlichsten Grundlagen für die Erhaltung des Volkswohlstandes und damit der Macht und des Ansehens des Staates ist, dazu führen wird, die österreichische Industrie wieder auf jenes Niveau zu heben, das sie bei ungestörtem Fortgang ihrer Entwickelung in gleicher Art ein­genommen hätte, wie dies bei den Industrien des benachbarten Auslandes heute der Fall ist.

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