So ist z. B. der Preis der Soda von 9 fl., beziehungsweise 8 fl., im Anfänge des letzten Decen- niums im Jahre 1896 bis auf 5 fl. gesunken und hat sich erst in den letzten Jahren wieder bis circa 7 fl. gehoben. Ebenso ist der Preis des Aetznatrons im Jahre 1896 von 14 fl. 75 kr. auf 12 fl. 75 kr. (pro 120%) gesunken. Der Preis des Chlorkalkes, der Anfangs 1895 noch 10 fl. 50 kr. betrug, ist heute auf circa 7 fl. 50 kr. gefallen, und jener des chlorsauren Kalis von 70 fl. des Jahres 1890 auf jetzt circa 50 fl. zurückgegangen. Ebenfalls bedeutende Preisrückgänge sind bezüglich der Säuren und ins­besondere der Schwefelsäure zu verzeichnen, die zumal von den Zinkhütten in Preussisch-Schlesien in grossen Massen als Nebenproduct der Zinkgewinnung producirt und um jeden Preis auf den Markt ge­bracht wird, und ebenso erheblich waren die Preisrückgänge bei den künstlichen Düngemitteln.

Aus der vorstehenden Uebersicht über die wichtigsten Unternehmungen auf dem Gebiete der chemischen Gross-Industrie in Oesterreich erhellt, dass der relativ stärkste Aufschwung auf diesem Industrie­gebiete in die Zeit von Mitte der Fünfzigerjahre bis gegen Ende der Siebzigerjahre fällt, während von da ab grössere chemische Industrie-Unternehmungen in Oesterreich nicht mehr entstanden sind und vollends im letzten Decennium die Situation der chemischen Industrie in Oesterreich sich so entschieden verschlechtert hat, dass dieselbe, wenn sie auch nicht geradezu als nothleidend bezeichnet werden kann, doch in einem so harten Kampfe gegenüber dem zunehmenden Drucke der Concurrenz des Auslandes steht, dass ihr Fortbestand vielfach in Frage gestellt erscheint.

Die Gründe hiefür liegen in der zumal in der letzten Zeit bestandenen wesentlichen Erschwerung der Capitalsassociirung, ohne welche eine erfolgreiche Entfaltung der chemischen Production derzeit kaum mehr denkbar ist, eine Lage, die insbesondere durch die Schwierigkeiten, welche der Bildung von Actien- gesellschaften in Oesterreich im Wege standen, und durch die enorm hohen Gebühren, weiche bei Gründung von Actiengesellschaften eingehoben werden, hervorgerufen wurde. Andererseits liegt ein Hauptgrund für das Zurückbleiben der Entwickelung der österreichischen chemischen Industrie gegenüber jener des Aus­landes auch in der überaus schweren Belastung, welche den Industrie-Unternehmungen in den letzten Decennien aus der durch socialpolitische Rücksichten veranlassten Einführung der staatlichen Unfall- und Krankenversicherung, sowie andererseits auch durch die Auftheilung der rapid wachsenden Landes­und Gemeindeumlagen erwachsen ist, eine Belastung, welche, zumal bei Actiengesellschaften, die zudem einer übermässig hohen Besteuerung unterworfen sind, gegenüber jener, der gleichartige Unternehmungen im benachbarten Deutschland unterliegen, als geradezu drückend zu bezeichnen ist, während überdies gegen­über den Unternehmungen in Ungarn, wo die Industrie bis heute von solchen Lasten fast vollständig frei ist und vielfach Steuernachlässe oder sogar für eine längere Reihe von Jahren gänzliche Steuer­freiheit geniesst, die Lage der österreichischen Industrie eine besonders ungünstige ist. Zu alledem kommt noch der Umstand, dass die Tarifpolitik in Oesterreich der Entfaltung und Prosperität der Industrie-Unter­nehmungen bisher nicht im entferntesten jene Rücksicht entgegengebracht hat, welche seitens der zielbewussten Eisenbahnverwaltungen des Deutschen Reiches den dortigen Unternehmungen, insbesondere in Bezug auf die Tarifsätze für die Zufuhr von Rohmaterialien und jene für den Export von Producten, entgegen­gebracht wird, und es kann als classisches Beispiel der Eigenart der Verhältnisse, die in dieser Hinsicht in Oesterreich obwalten, angeführt werden, dass eine in Böhmen gelegene Fabrik bei der Verfrachtung ihrer Producte nach einer Station der Südbahngesellschaft in Steiermark, der englischen Concurrenz erst dann Stand zu halten in der Lage war, als sie sich entschloss, diese ihre Producte anstatt auf dem directen Wege unter Benützung österreichischer Bahnstrecken, auf dem Wege durch Deutschland nach Hamburg, Verschiffung in Hamburg, Seetransport nach Triest und endlich Transport von Triest nach der genannten Südbahnstation zu verfrachten. Wird überdies noch die Thatsache in Betracht gezogen, dass vielfach nicht nur seitens einzelner Behörden, sondern auch seitens der Gemeinden und unter der Patronanz der Behörde häufig von Privaten bei Verhandlungen über die Bewilligung von neuen oder die Erweiterung von bestehenden Anlagen den Unternehmungen oft unbegründete Schwierigkeiten in den Weg gelegt worden sind, und dass bei dem Betreten des Instanzenzuges gegen solcher Art zu Stande gekommene ablehnende Entscheidungen oft Jahre verstrichen, ehe die Unternehmung in den Besitz einer definitiven Entscheidung gelangte, so kann es nicht Wunder nehmen, dass die Unternehmungslust gerade auf dem Gebiete der chemischen Industrie in Oesterreich mehr und mehr geschwunden ist, während die Entfaltung bestehender Unternehmungen nicht selten durch eben solche Umstände lahm­gelegt, andererseits aber auch dadurch geschmälert wird, dass, wie dies zumal von der Sprengstofif-

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