Die in Wien (IV., Schleifmühlgasse 4) befindliche Gasglühlichtfabrik steht unter der Leitung des Directors Moriz Gallia, dessen Energie viel zum Emporblühen des Unternehmens beigetragen hat.
Das Etablissement erzeugt täglich 5000—6000 fertig montirte Glühlichter und sendet ausserdem eine grosse Zahl von imprägnirten Glühstrümpfen in präparirten Glühkörpern in die Provinzen.
Die hier beigefügten Bilder gewähren einen Einblick in den Fabriksbetrieb. Die gewirkten Gewebsschläuche (Strümpfe) gelangen in das Etablissement und werden zuerst durch Uebernähen mit kleinen Stückchen gewirkten Stoffes an einem Ende zu dem Zwecke verstärkt, um nach dem Veraschen des imprägnirten Strumpfes dem den Glühkörper tragenden Platindraht einen Halt zu bieten. Hierauf folgt die Imprägnirung der Schläuche, das Trocknen derselben auf passenden Vorrichtungen, die locale Präparation des verstärkten Theiles und die Fassung des letzteren mit Platindraht. Mittelst des Drahtes wird der Mantel an dem Träger, der aus Nickeldraht besteht, befestigt.
Das erste Bild zeigt einen der Säle, in welchem die zuletzt besprochene Arbeit durchgeführt wird. Die auf den Brettern aufgestellten Glühstrümpfe gelangen in den Raum, wo das Verglühen derselben erfolgt.
Diesen stellt das zweite Bild dar, welches zugleich die Vorrichtungen erkennen lässt, durch welche die Arbeiterinnen vor dem Einflüsse der beim Veraschen sich entwickelnden Gase und Dämpfe geschützt werden. Diese werden mit Hilfe eines Ventilators, der durch einen Elektromotor in Bewegung gesetzt wird, durch die Röhren abgesaugt; zugleich wird aber auch die Luft des Raumes selbst durch die an der Wand, nahe der Decke, angebrachten Ventilationstrichter unausgesetzt erneuert, so dass jede Belästigung der Arbeiterinnen durch die nitrosen Dämpfe und die Verbrennungsgase ausgeschlossen ist.
Die verglühten Strümpfe, das sind die Glühkörper, werden in einer weiteren Abtheilung, welche dasselbe Bild erkennen lässt, die im dritten Bilde aber genauer sichtbar ist, unter Zuhilfenahme von »Pressgas«, also durch Bunsenbrenner, welche eine sehr hohe Temperatur geben, zum Sintern gebracht. Dadurch gewinnen die Glühkörper an Festigkeit und sind dann zum Gebrauche fertig. Damit die Augen der Arbeiterinnen vor dem Einflüsse des blendenden Lichtes, welches der Glühstrumpf bei dieser Operation ausstrahlt, geschützt werden, befinden sich vor den Arbeiterinnen passend gefärbte Gläser, durch welche dieselben den Vorgang beobachten, und sind ausserdem die auf dem Tische befindlichen Fächer mit grünem Stoffe ausgekleidet.
Das vierte Bild zeigt einen der Säle, in welchem die Glühkörper auf den Brennern befestigt und zusammengestellt werden. Von da gelangen die Lampen direct in das Verkaufslocal.
Gleich den hier abgebildeten Räumen sind auch die vielen anderen sehr zweckmässig eingerichtet, überall herrscht die grösste Ordnung, Zeugnis für die sichere Leitung des ganzen Betriebes gebend.
Die skizzirte Glühlichtfabrik versorgt Wien mit dem Bedarfe an Incandescenzlicht und sendet die imprägnirten, unvergdühten Mäntel oder die zum Versandt passend vorbereiteten emballirten Glühkörper in die Provinzen.
Ausser dieser Fabrik der Oesterreichischen Gasglühlicht-Actiengesellschaft existiren am Continente noch zahlreiche andere, so in Budapest, Berlin, London, Paris, Rom, Zürich, Amsterdam, Kopenhagen. Brüssel ist der Sitz zweier Gesellschaften, von denen die eine Belgien, die andere Russland und Skandinavien mit Auerlicht versieht; in Spanien und Portugal bestehen Exposituren der französischen und belgischen Gesellschaft. Alle diese genannten Unternehmen stehen mit der Wiener Fabrik, obgleich sie selbstständig sind, im innigen Contacte. Ausser dem Exploitationsgebiete in Oesterreich hat die Oesterreichische Gasglühlicht-Actiengesellschaft noch Filialen in .Südamerika (Rio de Janeiro, Valparaiso, Lima, Bucnos-Ayres und Montevideo), ferner in Aegypten (Alexandrien und Cairo), Ostindien (Bombay und Calcutta), in China und Japan, auf den Straits Settlements, im Capland u. s. w.
Ganz hervorragend ist die Gasglühlicht-Industrie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Sie hat jene Englands, welches Land bislang den grössten Consum an Auerlicht nachwies, weit überholt, ja gegenwärtig ist in Amerika der Bedarf doppelt so gross als in England. Die Hauptgesellschaft Amerikas, die ihren Sitz in Philadelphia hat, die »Welsbach Light Company«, kann den Anforderungen ihrer vielen Zweiggesellschaften nur schwer gerecht werden, und dabei ist der Bedarf fortwährend im Wachsen.
Dieser grosse Aufschwung datirt von jenem Momente, in welchem Auer v. Welsbach (1890) die Zusammensetzung der Imprägnirungslösung wesentlich verbessert hatte.
Im ersten Jahre des Bestandes der Oesterreichischen Gasglühlicht-Actiengesellschaft wurden von ihr circa 400.000 Lampen abgesetzt. Der Bedarf steigerte sich im Jahre 1893 auf 1,300.000, stieg 1894 über 2,000.000 und erreichte im Jahre 1895 die Höhe von vier Millionen. Wie gross mag heute die Zahl der Glühlichter sein, die auf der Erde täglich entzündet werden?
Mit diesem ungeahnten Aufblühen der Auer’schen Erfindung verknüpft sich das vieler anderer Industriezweige. Millionen von den Glühlichtmänteln senden die österreichischen Baumwolhvirkereien in alle Welttheile; selbst das in textiler Beziehung so hochentwickelte England bezieht aus Wien die Wirkwaare. Oesterreichs hochrenom- mirte Glas-Industrie liefert fast an alle die oben genannten Gesellschaften Glascylinder, Schirme und »Tulpen«, die Metallwaarenfabriken in Oesterreich und Deutschland beschäftigen Hunderte von fleissigen Händen mit der Erzeugung der Brenner, Tausende von Arbeitern leben von der neuen Industrie, von Auer’s Erfindung.
Und noch hat die Glühlicht-Industrie ihren Höhepunkt nicht erreicht; in Zukunft wird sich auch die Strassen- beleuchtung mit Gasglühlicht mehr und mehr ausbreiten. Es ist nicht uninteressant, hier zu erwähnen, dass Bombay die erste Stadt der Welt war, welche mit der Gasglühlicht-Gesellschaft einen zehnjährigen Vertrag wegen Beleuchtung der Strassen mit Auerlicht abschloss, dass überhaupt viele Städte im Orient in dieser Beziehung jenen Europas voraneilten. In Wien ist man noch nicht aus dem Versuchsstadium heraus, während in Oesterreich-Ungarn gegenwärtig schon an 50 Städte, darunter Budapest, Prag, Lemberg, Ivrakau u. a. m. diese Strassenbeleuchtung eingeführt haben.
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