FRANZ PAUL HERBERT

K. Iv. PRIV. BLEIWEISS-FABRIKEN

KLAGENFURT UND WOLFSBERG.

leiweiss (basisch-kohlensaures Bleioxyd) war schon im Alterthume bekannt; aber erst um die Wende des 17. Jahrhunderts begann man dasselbe fabriksmässig im Grossen herzustellen. Die um diese Zeit in England und Holland ins Leben gerufenen Fabriken hielten jedoch ihre Arbeitsmethode so geheim, dass sie durch Decennien hindurch die alleinigen Erzeuger dieser, namentlich für die Oelmalerei wich­tigen, ja unersetzlichen weissen Farbe waren.

Das Verdienst, die Bleiweissfabrication in Oesterreich eingeführt zu haben, gebührt dem Sohne des von Karl VI. in den Ritterstand erhobenen Franz Edmund Herbert. Durch seinen Bruder Josef, einen hervor­ragenden Physiker und Gelehrten, in Naturwissenschaften bestens vorgebildet, machte Michael Ritter von Herbert als junger Mann Studienreisen in England und in Holland. Dank reichen Wissens, grosser Thatkraft und nicht ge­wöhnlicher Umsicht gelang es ihm, sich mit der Gewinnung von Bleiweiss so vertraut zu machen, dass er es wagen konnte, in seiner Vaterstadt Klagenfurt im Jahre 1756 eine Fabrik zu gründen, welche auf die Herstellung dieses Artikels im grossen Maassstabe eingerichtet war und bald nach ihrer Errichtung an 300 Wiener Centner in den Ver­kehr brachte.

In Würdigung der Bedeutung dieses für Oesterreich neuen Industriezweiges, der den Werth des Rohstoffes im Durchschnitte verdoppelt und 20% des Productionswerthes an Arbeitslöhnen entrichtet, wandte die industrie freundliche Kaiserin Maria Theresia dieser Fabrik ihre Gunst zu. Sie ermöglichte ihr den Bezug des ärarischen Bleies von Bleiberg zum Gestehungspreise und zeichnete sie ferner dadurch aus, dass sie das Etablissement, welchem sie das Fabriksprivilegium ertheilt hatte, in Begleitung ihres Gemahls und ihrer Söhne besuchte (12. Juli 1765), den Gründer und Leiter desselben in den erblichen Freiherrenstand erhob und zum kaiserlichen Rath ernannte.

Im Jahre 1781 gieng die in erfreulicher Entwickelung begriffene Fabrik auf den Sohn des Begründers über. Gleich seinem Vater war Franz Paul (geboren in Klagenfurt 175g), der als Verehrer und begeisterter Schüler Kants und als Freund Schillers und Niethammers eine Zierde Oesterreichs wurde, beflissen, nicht nur dem immer wach­senden Begehre gerecht zu werden, sondern auch durch Abänderungen des Erzeugungsprocesses die Production zu verbilligen und zu verbessern. Während man nach der holländischen Erzeugungsmethode spiralförmig gewundene Bleiplatten in kleine Thontöpfe einsetzte, in welchen sich eine in Essiggährung übergehende Substanz befand, und diese mit einem Deckel verschlossenen Gefässe behufs Erwärmung mit Pferdedünger (in der Mistloge) überdeckte, ver­wendete Franz Paul Herbert an Stelle der sogenannten Holländertöpfe und der Mistlogen-Calcination grosse Fässer, welche in heizbare Räume gestellt wurden. Er legte damit den Grund zu dem für die österreichische Bleiweiss­fabrication charakteristischen Kammersystem. Eine grosse Rolle als Hilfsstoff spielte damals der zur Erzeugung von Bleiweiss nothwendige, in Gährung befindliche Essigstoff, und verwendete man bis in das neunte Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts zu diesem Zwecke Bier. Franz Paul v. Herbert erkannte Obstessig als billiger und für das Product vortheilhafter. Rasch entschlossen errichtete er in dem milden, durch seine klimatischen und seine Bodenverhältnisse für die Obstgewinnung prädestinirten Lavantthale Obstplantagen und baute in Berücksichtigung der damaligen Communicationsverhältnisse und des gesteigerten Bedarfes im Jahre 1792 eine zweite Bleiweissfabrik in Wolfsberg. Im Jahre 1800 war die jährliche Erzeugungsmenge schon auf 1700 Wiener Centner gestiegen.

Die Ausbildung des vorerwähnten Kammersystems in der nach der französischen Invasion erweiterten Fabrik in Klagenfurt und in der nach dem Brande im Jahre 1818 umgebauten Fabrik in Wolfsberg ermöglichte es dem (im Jahre 1834 verstorbenen) Besitzer Albin und dessen Nachfolger Franz Paul Herbert (geb. 1819), der vierten Generation derselben Familie, die Production bis auf 15.000 Wiener Centner zu steigern und ein Product herzustellen, das in Folge seiner Weisse, Feinheit und Deckkraft auf dem Weltmärkte unter dem Namen »Kremserweiss« eine führende Rolle erlangte.

In dieser Periode wurde von der Verwendung gährender Flüssigkeiten abgesehen und auf die Bleiweiss­erzeugung mittelst Holzessigsäure, durch trockene Destillation des Holzes gewonnen, übergegangen.

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Die Gross-Industrie, V.

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