Dokument 
Der Suezkanal : seine Geschichte und seine wirtschaftspolitische Bedeutung für Europa, Indien und Ägypten / von Alfred Birk und Karl Hermann Müller
Entstehung
Seite
30
Einzelbild herunterladen

30

Geschichte des Suezkanals.

nachdem er seit den unter Napoleon I. gepflogenen Erhebungen von der Möglichkeit der Durchstechung des Isthmus von Suez überzeugt war. Das darf man ihm glauben denn er war ein Mann, der immer lebhaft an den Tagesereignissen teilnahm, und zu diesen Ereignissen zählten auch die Arbeiten der Studiengesellschaft und ihre Ergeb­nisse, die in den Kreisen der Gebildeten allgemein erörtert wurden. Lesseps erzählt weiter, daß er seinen ehemaligen Schüler Said Pascha zur Thronbesteigung beglückwünschte, daraufhin die Einladung erhielt, nach Cairo zu kommen und daß ihm in diesem Augenblick der Gedanke, den Suezkanal zu verwirklichen, durch den Kopf schoß. Auch das soll nicht bestritten werden. Lesseps war Staatsmann klug und welterfahren und erkannte die günstige Sachlage, die durch den Personenwechsel in Ägypten eingetreten war. Wenn aber Lesseps in dem später noch zu besprechenden WerkeDie Durch­stechung des Isthmus von Suez den Ausspruch tut: ,, Je navaisreçu de qui que ce soit aucune espèce de mission so ist dies eine durch Urschriften des Briefwechsels zwischen Enfantin, Talabot, Arlès, Negrelli und Dufour erwiesene Unwahrheit. In einem Briefe an Negrelli vom 20. Dezember 1854 nennt Arlès-Dufour, also ein Mit­glied der französischen Gruppe der Studiengesellschaft, Lesseps aus­drücklich: notre ami et associé. 46 ) Und von dieser Bezeichnung aus­gehend, spricht Negrelli in einem Berichte an das österreichische Handelsministerium 47 ) vom 26. Dezember 1854 von Lesseps als einem Mitgliede der Studiengesellschaft. Lesseps hat sich nach dem Tode Abba Paschas unmittelbar an Enfantin mit dem Vorschläge gewendet, im Aufträge der Studiengesellschaft nach Ägypten zu reisen und von dem ihm befreundeten Said Pascha die Genehmigung zum Baue des Suezkanals für die Gesellschaft zu erwirken. Es scheint nun, daß Lesseps die Reise außerordentlich dringlich darstellte und auf die nicht unbedenkliche Verzögerung hinwies, die durch einen Schrift­wechsel mit der deutschen Gruppe über diese Frage herbeigeführt würde. Welche Gründe die Führer der französischen Gruppe ver- anlaßten, in der Angelegenheit ganz selbständig vorzugehen, ist nicht klargelegt. Vielleicht spielte auch völkische Eifersucht mit, die Lesseps zu nähren verstanden hat. Noch unbegreiflicher ist es, daß an Lesseps nur ein mündlicher Auftrag erteilt wurde, wie aus einem Briefe Arlès-Dufours an Negrelli vom 20. Juni 1855 hervorgeht; in diesem Briefe 48 ) heißt es:Quoiquil ny ait aucun traité signé entre nous . . . (obgleich es keinen zwischen uns gezeichneten Ver-