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Geschichte des Suezkanals.
Die Beratungen und Beschlüsse der Ingenieurkommission. Die erste Frage, die der Kommission zur Erörterung vorlag, war die Frage der Linienführung. Hier stießen die Meinungen scharf aufeinander. Die Besprechung war ungewöhnlich lebhaft. Es wurden bei den einzelnen Entwürfen alle Für und Wider gründlich erwogen. Zunächst stand die Aufgabe, sich für Alexandrien oder Pelusium als Ausgangspunkt des Kanals im Mittelländischen Meere zu entscheiden. Die Anhänger des „indirekten Kanals“ (Alexandrien—Suez) verwiesen auf die große Bedeutung Alexandriens für den Welthandel und für das Handelsleben Ägyptens als Umschlagsstelle zwischen dem Westen und Ägypten; der direkte Kanal würde Alexandrien dieser Bedeutung berauben, es zu einem militärischen Hafen, zu einem Hafen der Küstenschiffahrt machen. Die geringere Länge des direkten Kanals — der Unterschied beträgt zu seinen Gunsten rund 100 km — sei nur ein scheinbarer Vorteil; die Schiffe, die von Triest, von Malta oder Marseille in das Rote Meer gehen oder aus diesem nach einem jener drei Häfen laufen, können Alexandrien nicht abseits liegen lassen und es wird für sie daher gleichgültig sein, ob sie den Weg von Alexandrien gegen den Isthmus im Inneren des Landes oder in der Nähe seiner Küste zurücklegen; der erstere Weg wird sogar angenehmer und sicherer sein. Auch auf die technischen Schwierigkeiten und gerade auf sie wurde von den Gegnern des „direkten Kanals“ mit besonderem Nachdrucke hingewiesen. Sie bestritten nicht, daß die gewaltigen Sandablagerungen bei Tineh seit mehr als zwei Jahrtausenden ihre Grenze erreicht haben und zwischen der Flutwirkung einerseits und der Neigung der unterseeischen Böschung Gleichgewicht eingetreten sei — aber sie befürchteten, daß ein scharfer Angriff auf diese Böschung das Gleichgewicht aufheben, daß eine künstliche Vertiefung rasch wieder ausgefüllt und ein einziger harter Sturm Millionen Kubikmeter Sand dorthin werfen und in einigen Stunden die schwere und teure Arbeit von Monaten oder selbst Jahren verwischen könnte. Sie wiesen auch auf die umfangreichen kostspieligen, viele Jahre Bauzeit erfordernden Bauten hin, die in Tineh unbedingt ausgeführt werden müßten, und bemerkten, daß gerade Tineh mehr als jeder andere Punkt der Küste der von Westen kommenden Küstenströmung und dem vorherrschenden West-Nord-West-Winde ausgesetzt sei. Der Entwurf der „direkten Kanallinie“ gehe, so behaupteten seine Gegner, durch das Verhängnis von Tineh — „par la fatalité de Tineh“ 76 ) — unter. Der