IV. Die Kämpfe um die Verwirklichung des Kanalentwurfes. 73
vor Augen habe. Die Gesellschaft solle erst dann „organisiert“ werden und zur Tat schreiten, wenn eine neuerlich einberufene internationale wissenschaftliche Kommission alle noch offenstehenden technischen und finanziellen Fragen gründlich durchberaten habe; in dieser Kommission möchte er Baron Bruck nicht missen. Vor ihrer Einberufung wolle er nochmals nach Ägypten reisen und hier mit Revoltella, dem Triester Generalagenten der Isthmus-Gesellschaft Zusammentreffen; auch Negrelli möge dahinkommen, um verschiedene technische Einzelheiten, die nur an Ort und Stelle erledigt werden können, zu studieren. Die Antwort Negrellis auf diesen Brief vom 17. April 1858 fehlt; aber es ist außer jedem Zweifel, daß er dem Plane Lesseps’, sich über die Genehmigung der Hohen Pforte hinwegzusetzen, entschiedenen Widerstand entgegensetzte. Das bezeugt ein Brief des Sekretärs der Suezkanalgesellschaft Barthelemy Saint Hilaire an Negrelli; St. Hilaire stimmt der Anschauung Negrellis über Lesseps’ Pläne zu: „Auf diese Weise wird Ägypten bloßgestellt, daß nicht befragt worden ist und doch wenigstens für alles, was auf seinem Boden geschieht, seine Zustimmung geben muß; die Hohe Pforte, der man Trotz bietet, wird beleidigt, nachdem man sie seit drei Jahren um ihre Zustimmung gebeten hat; England, dem man in dieser Auflehnung des Vasallen gegen den Lehnherrn einen ausgezeichneten Vorwand für die Opposition an die Hand gibt, wird aufs Höchste erbittert; Frankreich erhält die günstigste Gelegenheit, sich von einem Unternehmen zurückzuziehen, das seine gegenwärtigen Verhältnisse mit England beirrt. Man hält Rußland und die Vereinigten Staaten ab, für die Sache einzutreten und wird so die ganze Welt gegen sich haben. Ich frage Sie, ob unter solchen Bedingungen die Kapitalien zu uns kommen, ob sie das allgemeine und gerechtfertigte Mißtrauen der Handelswelt überwinden werden? Trotz so vieler Hindernisse den Entschluß, noch weiter zu gehen, offen verkünden, daß heißt sich verderben, einen Selbstmord begehen.“ St. Hilaire tadelte es, daß Lesseps eigenmächtig den Entwurf der Internationalen Kommission von Grund aus geändert und die Kosten von 200 auf 80 Millionen Franken herabgesetzt hatte. „Es ist — meint er — eine furchtbare Waffe, die man dem Feinde in die Hand gibt, wenn man auf solche Weise seinen Feldzugsplan ändert und die einzige Autorität schwächt, die unsere ganze Stärke ausmacht.“
Auch aus Briefen Lesseps’ an Negrelli und B. St. Hilaire, die er in
6 Die Geschichte des Suezkanals»