IV. Die Kämpfe um die Verwirklichung des Kanalentwurfes. 77
Frage zerschlägt: Würde der Kanal lohnend werden, wenn sich zwischen den beiden Meeren ein Bosporus hersteilen ließe, trotzdem er — wie Stephenson behauptet — kommerziell nicht lohnend ist ? „ Ich wiederhole daher meinerseits, daß ich fester als je an die lohnende Ausführbarkeit des Suezkanals glaube.“
Die „Times“ hatten Stephensons Brief am 3. August 1858 veröffentlicht; Negrellis Antwort erschien am 26. September. In die Zwischenzeit fiel eine schwere Erkrankung Negrellis, die ihn zu längerem Aufenthalte in Primiero, seiner südtirolischen Heimat nötigte, Diese Erkrankung verhinderte ihn, an dem von Revoltella veranstalteten großartigen Empfang Lesseps’ in Triest teilzunehmen. Aber schriftlich bat er Revoltella, auf Lesseps einzuwirken, daß er den Gedanken einer Agitationsreise durch Mitteleuropa nicht verwirkliche. Baron Bruck und der Vizekönig seien darin eines Sinnes, nichts zu unternehmen und nichts geschehen zu lassen, bevor nicht die Genehmigung des Sultans vorliege. Lesseps hielt am 26. August in der Handelskammer von Triest eine seiner feurigen Reden, die stets in die Erklärung ausklangen, daß der Augenblick zur Tat gekommen sei. Seine Reise nach Wien und Deutschland unterblieb aber; er eilte nach Paris zurück, weil ihn „seine erkrankte Schwiegermutter sehnsuchtsvoll erwartete“. Vor der Abreise bat er Revoltella, nichts unversucht zu lassen, um auch Negrelli für die rasche Tat zu gewinnen. Er schrieb wiederholt an Negrelli, der aber — wohl hauptsächlich infolge seines leidenden Zustandes — nicht antwortete; aber es ist auch nicht ausgeschlossen, daß er sich mit Lesseps nicht mehr weiter in unnütze Erörterungen einlassen wollte. Auffällig ist es, daß Negrelli in seiner Ansprache an den in Triest tagenden Eisenbahnkongreß, dem er in amtlicher Eigenschaft beiwohnte, bei Erörterung der Suezkanalfrage und ihrer großen volkswirtschaftlichen Bedeutung den Namen Lesseps nicht über die Lippen brachte.
Lesseps suchte nach einer neuen wirksamen Hilfe und auch nach einer neuen Einnahmequelle für sein Unternehmen. Er war bestrebt, nunmehr den Schwerpunkt seiner Tätigkeit nach Deutschland zu verlegen. Am 24. September schrieb er nochmals an Negrelli; er teilte ihm neuerlich mit, daß er (Negrelli), Baron Bruck und Revoltella auf dem Gründerregister, die beiden ersteren mit je 10, der letztere mit 5 Gründeraktien eingeschrieben seien; er ersuchte Negrelli dringend, die Führer der deutschen Gruppe in Leipzig, die