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Der Suezkanal : seine Geschichte und seine wirtschaftspolitische Bedeutung für Europa, Indien und Ägypten / von Alfred Birk und Karl Hermann Müller
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Geschichte des Suezkanals.

das gesamte Konsularkorps, den Fremden die Teilnahme an weiteren Arbeiten zu verbieten. Lesseps ließ den Erlaß unbeachtet. Die Arbeiten nahmen ihren unbehinderten Verlauf. Das konnte England nicht dulden; es schritt bei der Hohen Pforte ein, die denn auch mit dem Vezieralschreiben vom 21. September 1859 denWali aufforderte, für die sofortige Einstellung der Bauarbeiten Sorge zu tragen. Die Angelegenheit drohte unter dem Drucke Englands zu politischen Weiterungen zu führen, so daß sich der Wali zu einem entschiedenen Schritte entschloß: am 4. Oktober 1859 erklärte Said Pascha dem versammelten Konsularkorps in allgemeinen Ausdrücken, daß Alles, was Lesseps getan habe, null und nichtig sei. 89 ) Diese Erklärung, die wohl auch bis nach Paris vorgedrungen war, dürfte den schon er­wähnten Liquidierungsbeschluß des Verwaltungsrates der Gesell­schaft mit verursacht haben. Jedenfalls hatte sie den Aufschub der ersten Generalversammlung und die Einstellung der Einzahlungen der Aktionäre zur Folge. Um diese aber zu beruhigen, ließ Lesseps die Arbeiten auf der Landenge von Suez nicht vollständig rasten; freilich waren es keine Arbeiten, die den Kanal selbst betrafen, oder ihn irgendwie baulich förderten; sie hatten nur den Zweck, die Aktionäre zu beruhigen. Der Zutritt zu denArbeiten war Un­berufenen nicht gestattet.

Unterdessen hatte Napoleon in Italien gesiegt; er fühlte sich als Herr von Europa und war mächtig genug, auch Ungesetzlichkeiten, wenn sie ihm bequem waren, zu schützen. Lesseps Scharfsinn wies ihn nun in solcher Bedrängnis den rechten Weg. An der Spitze mehrerer Aufsichtsräte sprach er bei Napoleon vor und erbat sich seinen Schutz und seine Förderung für den Kanalbau, an dem französisches Geld in hohem Maße beteiligt war. Napoleon sicherte sie zu. Die Gesellschaft sollte in der freien Ausübung ihrer Rechte geschützt werden. Der französische Konsul Sabatier, der mit dem Vorgehen Lesseps in Ägypten nicht einverstanden war, wurde aus Kairo abberufen; sein Nachfolger verstand es die Fortsetzung der Scheinarbeiten am Isthmus zu ermöglichen. Lesseps versuchte nun auch neuerlich, Österreich für eine geldliche Unterstützung des Kanalbaues zu gewinnen. Aber alle Wege, die Lesseps einschlug, schienen nur weiter weg vom Ziele zu führen. Man muß in der Tat die Beharrlichkeit des Mannes bewundern; mag es Ehrgeiz oder Geldsucht, mögen es edlere Triebe gewesen sein, die ihn nicht ver­zagen ließen die anerkennenswerte Tatsache steht fest, daß er die