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Die wirtschaftspolitische Bedeutung des Suezkanals.
1869 war das größte Ingenieurwerk vollendet. Während der Projektarbeiten und während des Baues hatte England nichts versäumt, was geeignet war, das Zustandekommen zu vereiteln; bei den Einweihungsfeierlichkeiten fehlte keine Nation, nur England. Nachdem diese beendet waren, meldete sich England zur Ernte, die ihm auch bis auf unsere Tage gehört. Lord Derby, der den Kanal als britischen Lebensnerv erklärte, wies darauf hin, daß dieser Kanal internationalisiert werden müßte. Und so begann die ,, Internationalisierung“. Nach dem Vorbild des 7jährigen Krieges galt es zunächst die Macht Frankreichs zu schwächen. Zu diesem Zweck wurde der spanische Erbfolgestreit eingeleitet, die französische Presse gekauft und dann der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland 1870 entfacht. Fernab von diesen Ereignissen mußte in aller Stille Sir Evelyn Baring, ein Sprößling aus einer deutschen Familie, die Totenglocke für Ägypten läuten durch Verleitung des Vizekönigs Ismael zur äußersten Verschwendungssucht. Nachdem Napoleon III. in Sedan seinen Degen überreicht hatte, wurde die verzweifelte Lage, des ohnmächtigen Frankreichs dazu benutzt, durch das Haus Rothschild dem „vorbereiteten“ Vizekönig Ismael liebevoll die rettende Hand zu reichen. Dem Khediven wurde sein Anteil am Suezkanal mit 176602 Stück Aktien zu 3 976 582 Pfund Sterling abgekauft. Die für etwa 80 Millionen Mark erworbenen Aktien sind heute nahezu eine Milliarde Mark wert. Dieser Vorgang stellt die Grundlage dar für die bis auf unsere Tage betriebene grenzenlose Auspowerung des gesamten europäischen Verbrauchs durch die Suezkanalgesellschaft.
Nachdem England sich den Suezkanal in kommerzieller Hinsicht gesichert hatte, war es bestrebt, diesen seinen einzigen Lebensnerv strategisch gegen jeden Angriff zu sichern. Bei der Verfolgung des Zieles stieß es zunächst auf die Dardanellenpolitik Rußlands. Da sie beide — wenn auch in verschiedener Absicht —doch gleiche Ziele verfolgten, nämlich die Schwächung der Türkei, so schlossen sie sich eng zusammen. Die christlichen Balkanvölker mußten 1875 den Stoß gegen die Türkei beginnen. Mit Hilfe der Russen waren sie 1877 bis hart vor Konstantinopel vorgedrungen. England mußte nun unter allen Umständen verhüten, daß Rußland sich der Dardanellen bemächtigte und Lord Beaconsfield widersetzte sich mit Erfolg dem Präliminarfrieden von St. Stefano. Durch Lostrennung der Balkanstaaten vom Sultan setzte England den Russen ein Bollwerk entgegen. Einen Teil Albaniens, Mazedoniens und den Nordstrand des Ägäischen Meeres